Die innere Reise und ihre Schmerzen

Selbst als ich schon logisch nicht erklärbare Erfahrungen gemacht und Samadhi erlebt hatte, wurde die innere Reise nicht einfacher. Während dieses ganzen Prozesses wurde anscheinend viel an meiner Seele und an meinem Körper gearbeitet. 

Ich hatte ständig Kopfschmerzen, dabei lebte ich nicht mehr in der Großstadt Istanbul und hatte endlich Zeit für mich und meine Selbsterforschung. Ich hatte mehr Kopfschmerzen und Erschöpfungszustände als zu der Zeit, in der ich meine zwei Mädels großzog und eine Firma leitete. 

Mir fiel auch auf, dass ich vor oder nach den Kopfschmerzen immer eine sehr empfängliche Stirn hatte und dort mit geschlossenen Augen Symbole oder Filme ablaufen sah. 

Tagebuch 16.04.2016:

„Als ich heute morgen wach wurde, sah ich mit noch geschlossenen Augen ein weiß leuchtendes Dreieck sozusagen durch meine Stirn. Es war nur kurz da aber dafür sehr deutlich. Dann verschwand es wieder. 

Ich recherchierte sofort im Internet, was ein Dreieck zu bedeuten hat und stieß auf Begriffe wie: 

  • das Auge der Vorsehung 
  • allsehendes Auge Gottes 
  • Auge Gottes
  • Symbol für das alle Geheimnisse durchdringende Auge Gottes.
  • Es soll den Menschen an die ewige Wachsamkeit Gottes erinnern und daran, dass nur das geschieht, was vorgesehen ist. 

Ein Dreieck steht für: 

  • Sonne/Geist, Erde/Materie, Mond/Seelenleben oder
  • Gott, Schöpfung, Geist
  • Physisch, Astral, Mental 

Außerdem habe ich wieder Kopfschmerzen. Gestern lese ich, dass Vegetarier und Veganer unter starkem Vitamin B12-Mangel leiden. Für die bevorstehende Aufnahme in den „Pfad der Meister“ hatte ich meine Ernährung total umgestellt und ich spüre in der letzten Zeit, wie ich kaum noch in der Lage bin, meine Yoga-Übungen zu machen. Ich habe das Gefühl, ich werde immer schwächer.“ 

In den folgenden Tagen las ich fleißig weiter in den Schriften, die für die bevorstehende Aufnahme in den „Pfad der Meister“ wichtig sein könnten. So stieß ich auch auf das Aldi Guru Granth Sahib, welches das Urbuch bzw. die Heilige Schrift der Sikhs ist und 1430 Seiten hat. Ich las weiter in den Schriften von Kirpal Sing und mache mir wie immer Notizen.

Tagebuch 17.04.2016:

„Von der Gottessuche…Der Pfad der Meister ist allen anderen weit überlegen; glaubt es in vollem Vertrauen. Sufismus und Vedanta können euch bis zu einer gewissen Stufe bringen, doch nicht bis an das letzte Ziel.

Die Heiligen leben für ewig in der Herrlichkeit des Höchsten.

Allen anderen Glaubensrichtungen und Gemeinschaften gelingt es nicht, die Bereiche der Relativität zu übersteigen. 

Einige Tage zuvor, am 9.04.2016 notierte ich in mein Yoga Tagebuch:

„Gestern und auch heute Satsangs (Zusammentreffen mit einem Lehrer, um die Wahrheit zu erfahren) mit W. angeschaut, die sehr interessant waren. Sein Meister war Rames Balsekar. Was mich an all diesen unterschiedlichen deutschen spirituellen Lehrern im Internet verwirrt ist, dass sie alle das gleiche beschreiben, unterschiedliche Wege beschritten haben und – das fällt mir bei W. auch besonders auf – dass niemals das Wort LIEBE auftaucht oder über MITGEFÜHL gesprochen wird. Es scheint hier eher um innere Stabilität zu gehen. 

Sind diese Lehrer auf ihrer inneren Reise irgendwo stecken geblieben?“

Meine Zweifel waren damals sehr berechtigt, denn ich bin mir sicher, dass es extreme Unterschiede gibt zwischen Lehrern und Meistern. Ein Lehrer kann dich nur bis zu einer gewissen Grenze führen und begleiten. Das ist auch sehr wichtig, denn es gibt nicht viele Meister und es ist schon schwer genug, einen guten Lehrer zu finden. 

Ein Meister allerdings hat alle physischen Grenzen überschritten und ist daher in der Lage, dich über jegliche Hürden zu bringen. Was Kirpal Singh daher über den „Pfad der Meister“ schrieb, ist richtig, wie ich heute weiß.  

Ich las in den folgenden Tagen in diesen heiligen Büchern über den Shabd, der all die Musik, die Menschen je hervorgebracht haben, weit übertrifft und die Seele zu sich zieht. Shabd ist der wirkliche Halt des Suchers. Er ist die bewusste Kraft, die alles erschaffen hat, und zugleich der wirkliche Meister – der Shabd Guru – denn der Satguru ist seine physische Offenbarung in menschlicher Gestalt. Shabd Dhun ist unsere wirkliche Form. Dieser physische Körper ist nur ein Kleid. 

Ich las darüber, wie Shabd unser Gemüt zähmen und wie dann der Meister in seiner strahlenden Form in uns erscheint. Dann werden wir von ihm aufgenommen, und dies wirkt sich auf unser Karma aus, weil er uns dabei hilft, das auf unser gegenwärtiges Leben begründete Karma (Pralabath-Karma) so schnell wie möglich abzuwickeln. 

Shabd Yoga ist kein Glaube, sondern eine Wissenschaft über die Grenzen Indiens hinaus bekannt und kam sehr oft mit dem Sufismus in Berührung.

Als ich dies vor Jahren las und notierte, war ich an einem Punkt angekommen, wo ich wenig Zweifel darüber hatte, dass das alles wahr sein könnte. Ich wollte es glauben und erfahren. Aber in meinem Alltag stand scheinbar alles in vollem Widerspruch zu dem, was ich in diesen Zeilen las, und deshalb gab es immer innere Konflikte und immer Kopfschmerzen. 

Tagebuch 19.04.2016:

„Heute Morgen habe ich noch immer Kopfschmerzen. Als mein Schatz wach wurde, haben wir endlich mal geredet und ich habe ihm gesagt, was seine Worte und sein Handeln gestern in mir auslösten. Noch während des Gesprächs sind meine Kopfschmerzen dann immer besser geworden. 

Inzwischen sehe und erfahre ich also am eigenen Körper, dass es wahr ist, was die Yogis über die Auswirkungen von eigenen und fremden Gedanken, Worten und Taten sagen. Die schlechte Laune und der Stress anderer Menschen lösen in meinem Körper regelrecht körperliche Schmerzen aus. 

Und gestern konnte ich zusehen wie der Frust und die verbalen Wutausbrüche meines Partners all meine Freude über die eben erworbenen Blumen für den Garten überschatteten. Ich sah regelrecht die dunkle Wolke, die über meinem Kopf saß, und diese negative Energie wurde so schwer, dass sie starke Kopfschmerzen auslöste. 

Das Studium der heiligen Schriften und die Meditation verändern mein Bewusstsein. Ich werde von innen geputzt. Gereinigt. Sensibilisiert. Ich sehe mehr. Höre mehr. Fühle mehr. Rieche mehr. Das ist erst einmal eine Belastung für mein System. 

Es gibt so wenig gute Gedanken um uns herum. Es ist sehr schwer, sich so empfänglich zu machen, wenn man sich nicht ausreichend schützen kann. Ich sehe und begreife so viel mehr, fühle mich aber so nackt und hilflos. Als würde alles in mich eindringen. Jedes verletzende Wort über andere löst Schmerz in mir aus. 

Die Weisen sagen, dass man daher Zeit mit Menschen verbringen soll, die die gleiche Situation durchmachen, also Suchende und Liebende. Aber ich kann nicht einen einzigen demütigen Menschen um mich herum finden. Ich wünschte, ich könnte ihn finden. Einen Gottes-Menschen. Ehrfurchtsvoll. Ehrlich. Voller Liebe und Güte.“

Tagebuch 22.04.2016:

„Heute Morgen endlich mal ohne Kopfschmerzen aufgewacht. Ich las wieder einmal in meinem Buch „Autobiographie eines Yogi“ von Paramahansa Yogananda und insbesondere die Stellen, die ich früher nur überflog, weil ich mir darunter noch nichts vorstellen konnte. Nämlich über die Astralwelt, Geister und Jesus Christus. 

Dann machte ich mir tibetische Meditationsmusik an und machte passend zu dieser Musik meine Yoga-Übungen. Mit viel Hingabe, sehr langsam und fließend. Schon nach den ersten Bewegungen kamen mir die Tränen. Aufgrund dessen, was ich bei Paramahansa Yogananda über Jesus Christus las, musste ich um ihn weinen. Wie dumm wir Menschen doch sind. Noch heute würden wir ihn umbringen und das auch noch im Namen Gottes. 

Dann ging mir durch den Kopf, wie schön es doch wäre, von Menschen umgeben zu sein, die auch diese Liebe bewusst (denn ob sie es wissen oder nicht, wir alle tragen sie in uns) leben. Dabei lebe ich doch in einem Land voller gläubiger Menschen? Dieser Glaube beruht jedoch auf Angst und sorgt eher für Intoleranz und im extremsten Fall auch für Fanatismus. Gläubige sehen Gott mit Kuhaugen und somit mit einem geschlossenen Geist, also mit Gewohnheit, Angst und Rechthaberei. 

Da kann ich mich nicht geborgen und sicher fühlen. Ich spüre keine Liebe. Nur Konzepte, Regeln und Enge. 

Gott muss doch überall sein. Immer. Hier und jetzt. Gott finden wir nicht in den Kirchen oder Moscheen. Ihm gehört alles. Uns gehört nichts. Er ist in meinem Herzen, egal, was ich tue. 

Mir fällt auf, dass ich mir beim Spaziergang darüber Gedanken mache, wie ich mich fühle, wenn ich draußen unter die Leute gehe. Ich weiß nicht mehr so recht, wie ich mich selbst sehen soll und andere mich sehen. Wer oder was bin ich?

Erst war ich der trotzige Teenager, der es allen zeigen wollte, die nicht an mich glaubten. Dann ging ich als junge Frau durchs Leben, die eine abgeschlossene Berufsausbildung hatte und auf eigenen Beinen stehen konnte. 

Dann war ich die, die das Abi nachmachte und studierte. Ich war nun mehr als das, was ich vorher war.

Dann war ich die stolze Mutter einer Tochter und dann kam die Flucht ins Ausland. Dort war ich dann Teil einer großen Familie. Führte ein fremdes Leben. Trug einen fremden Namen, der mich aber wieder zu jemanden machte. 

Dann die Trennung und Neufindung. Die Juristin. Die Geschäftsführerin und Mutter. Ich war wieder jemand und hatte sogar Visitenkarten. Da stand ja darauf, wer ich war. Es fühlte sich nur alles gar nicht echt an. 

Nun verschwindet dieses „Ich“ immer mehr und das macht etwas mit meinem Selbstwertgefühl. Es ist nicht leicht, keine Visitenkarte mehr in der Tasche oder einen Namen zu haben, der einem sagt, wer man ist. Statt Erfolg, gutes Aussehen und Mutter nun ein Nichts und alt? Mit welchem Bewusstsein gehe ich also auf die Straße?“

Es gibt ja kein „Ich“ welches immer gleich ist. Nicht eine Zelle in unserem Körper ist noch die gleiche, wie die, als wir 20 oder 40 Jahre alt waren. Und doch fällt es uns so schwer, dieses „Ich“ oder dieses Bild, was wir von uns haben, loszulassen. Als ein „Nichts“ auf die Straße zu gehen, ist schon eine große Herausforderung und nicht nur der Geist, sondern auch der ganze Körper hat damit zu kämpfen. 

Es gab in diesen Monaten des Jahres 2016 fast keinen Tag, an dem ich nicht irgendwelche Kopf-, Zahn-, Hals- oder Nackenschmerzen hatte. Als wolle der Körper mir jeden Tag sagen, Hallo ich bin hier. Du kannst dich nicht einfach auf das „Selbst“ konzentrieren und mich nach all den Jahrzehnten einfach ignorieren. Ich war doch immer der Mittelpunkt. Es ging doch immer nur um mich. 

Was blieb mir anderes übrig, als mich an meine Schriften zu halten. Einen Lehrer gab es ja noch nicht an meiner Seite. Aber ich konnte schon erkennen, dass ich immer mehr zum Beobachter dieses scheinbaren „Ichs“ wurde. Statt mich neu zu erfinden, zu verdrängen oder mich abzulenken, ging ich diesen Fragen immer tiefer auf den Grund, so wie der Schmerz, der dann vom Kopf in den Zahn wanderte.

Tagebuch 28.04.2016:

„Zahnschmerzen trotz Antibiotikum. In der Nacht habe ich meditiert. 

Ramana Maharshi äußerte sich auch zu Krankheiten. Er sagte, 

  • nicht das Selbst ist krank, sondern der Körper. Aber der Körper kommt nicht daher und sagt, dass er von einer Krankheit befallen ist. Sie sagen das. Warum? Weil sie sich irrtümlich mit dem Körper identifiziert haben. Der Körper selbst ist ein Gedanke. 
  • durch die Aufgabe der üblichen Verbindung der fünf Sinne zur Außenwelt wirkt sich das auf die Nerven aus. Der Geist ist gezwungen, diese Verbindung aufzugeben und das verursacht Belastung, Losreißen, Spannung, die mit Schmerzen verbunden ist. Das alles verschwindet mit der Meditation. Es gibt kein besseres Schmerzmittel.
  • Schmerz ist unvermeidbar als Begleiterscheinung beim Aufgeben langgehegter Denkgewohnheiten.“

Nun hatte ich also eine Erklärung für meine ständigen Schmerzen, und ich versuchte, dies zu akzeptieren und meditierte mehr als je zuvor. Neben Eckhart Tolle, der sehr ausführlich über den Schmerzkörper schrieb, half mir in dieser Situation auch, was Anna Maria Groß zum Thema Schmerz sagte.

Tagebuch 29.04.2016:

„Lass Schmerz da sein. Wir leiden nicht unter dem Schmerz, sondern darunter, dass wir ihn nicht haben wollen. Der Widerstand dagegen ist das Problem, weil die Idee da ist, wäre der Schmerz weg, ginge es uns gut, dann könnte ich glücklich sein. 

Die Öffnung der Akzeptanz öffnet etwas in uns. Der Blick richtet sich nicht auf den Schmerz, sondern auf die Offenheit und dann darf alles da sein. Das ist unsere Natur. Die Identifikation mit dem Verstand und dem Gefühl (also an der Oberfläche sein) macht es so schwer zu erkennen und zu akzeptieren.

Lass dich auf den Schmerz so sehr ein, dass du der Schmerz selber bist aber nicht weißt, was Schmerz ist. Durch das Einlassen auf den Schmerz verschwindet Wissen darüber und der, der was weiß. Dann gibt es nur noch das, was ist (also Schmerz und Traurigkeit) und eine so starke Lebendigkeit darin und so eine Erfüllung und Glücksgefühle.“

Dass so etwas möglich sein soll, konnte ich mir damals in diesem Maße nicht vorstellen. Aber ich musste es ausprobieren und wollte so an mir arbeiten. Und daher wurde der Schmerz mein bester Lehrer, und wenn irgendwann mal wieder Angst auftauchte, dann konnte ich diese Methode der Akzeptanz ebenfalls gleich anwenden.

Und wer mein Buch „Frei von Panikattacken und Flugangst“ bis zum Ende gelesen hat, der wird dort ein Kapitel finden, indem ich genau darüber schrieb, nämlich wie ich mich für die Angst öffnete, sie erblühen ließ, zur Angst selbst wurde, sie abziehen sah und meine Person gleich mit verschwand. Meine Schmerzen und meine Ängste führten mich zum Zustand des Erwachens. 

Tagebuch 5.05.2016:

„Einen Tag, bevor ich zum Zahnarzt ging – ich war sehr nervös – hatte ich nachts wieder das Licht in meiner Stirn. Da gab es in dem Licht selbst noch einmal Formen und im Licht gab es noch ein viel helleres Licht. Als wenn es mir Kraft geben wollte. 

Ich weiß noch, wie ich in dem Moment, als ich es sah, mich darüber wunderte, wie dieses helle Licht selbst noch in sich so viel heller sein kann. 

Als ich dann aufwachte, war ich sehr erschöpft. Ich schien aus einer merkwürdigen Tiefe zu erwachen.“

Diese Unterstützung des Lichts brauchte ich auch, denn mein Körper reagierte immer weiter und suchte meine volle Aufmerksamkeit, was für eine ehemalige Hypochonderin eine große Herausforderung war. 

Habt ein wunderschönes hell leuchtendes Wochenende und einen schönen dritten Advent, Monika


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