Wenn unsere Geschichte sich auflöst…

Als ich mit Tagebuch-Notizen anfing, ging es nur um mich und meine Lebensdramen. Es sollte mir helfen, alles besser zu verstehen und zu verarbeiten. Ich war sehr einsam und konnte mit niemandem über meine Erlebnisse und Gefühle in einem fremden Land sprechen. 

Später, als ich mich aus meinem goldenen Käfig befreit hatte und wieder unabhängig wurde, führte ich das Tagebuch, um etwas für meine Mädels zu hinterlassen. Sie sollten mich verstehen lernen und begreifen, warum ich diese oder jene Entscheidung im Leben treffen musste, denn lange waren sie unmittelbar davon betroffen. 

Als ich mit Yoga anfing, wurde aus einem „normalen“ Tagebuch, ein Yoga-Tagebuch und irgendwann wurden aus der Federführenden die Feder selbst, das Tagebuch selbst, die Worte selbst, das Schreiben selbst, das Leben selbst, das Universum selbst. 

Bis dahin mussten aber noch einige Hindernisse überwunden werden. Vor allen Dingen musste ich endgültig meine Angst vor dem Tod hinter mir lassen und die Anhaftung an meine Rolle als Mutter. Daher geht es hier weiter mit den Notizen, die alle Schritt für Schritt festhalten, wie aus den Worten „Wer suchet, der findet“ Wahrheit werden kann. 

Tagebuch 03.03.2016:

„Traum: Eine Hütte aus Holz. Drinnen gibt es zwei wilde Tiere. Ich lasse sie heraus und dann gehe ich mit einer anderen Person in diese Hütte hinein (meine Tochter?). Die Fenster sind offen und eins der Tiere (Wolf?) versucht durch das Fenster wieder hereinzukommen. 

Ich rufe einer anderen Person nach draußen zu, sie solle sofort zurück ins Haus kommen, da es da draußen wilde Tiere gäbe, die angreifen könnten. Schnell, schnell, rufe ich und hole diese Person ins Haus. Dann versuche ich das Fenster zu schließen, denn ein Tier sitzt mit fletschenden Zähnen direkt unter dem Fenster. 

Plötzlich taucht im Hintergrund ein großer Bär auf. Ich sehe, er hat es auf das wilde Tier abgesehen. Er stürzt sich auf das vor unserem Fenster sitzende Tier, zerfetzt es und frisst es schmatzend und voller Blut vor unseren Augen. 

Dann schließe ich das Fenster.“

Ganz klar ist mir heute, dass ich hier im Traum versuchte, meine Kinder zu retten, die ich immer wie eine Löwenmutter behütet hatte. Hart musste ich um sie kämpfen und streckenweise war auch das Überleben ein harter Kampf. 

Der Wolf steht für Gefahr und die Triebe. Das Ungezähmte in uns selbst. Es kann auch ein Anzeichen für ein Ungleichgewicht in uns selbst sein, wenn er uns angreift. Und da ich eine tiefgreifende innere Reise machte, hatte dieser Traum sicherlich auch eine spirituelle Bedeutung und zeigte mir den Spannungszustand meiner Seele auf. Denn wer aufwachen will, muss alles loslassen können. Auch seine Kinder. 

Der Bär steht für die eigene Urkraft, Mut und Macht. So könnte man also den Traum so deuten, dass die Urkraft die Gefahr und Triebe in mir zähmen wird. 

So wird es wohl gewesen sein, denn schließlich wurde die Angst überwunden und Aufwachen ist passiert. Aber interessant ist es schon, denn ich sehe hier mit diesen Notizen auch all die Zusammenhänge, die ich kaum schriftlich festhalten kann, weil es so viele Fäden sind, die sich in einem Knäuel hier und heute wiederfinden. 

Mutter zu sein und beschützen zu wollen ist ja auch ein Trieb. Und dieser nimmt nie ein Ende. Und so stellt sich selbst dieser Trieb als Hindernis für das Aufwachen/die Gottesschau dar. Das ist ein wichtiges Thema auf meiner inneren Reise (siehe auch Tagebuch-Notiz weiter unten vom 9.03.2016). 

Interessant ist auch, dass ich am gleichen Tag einen Film anschaute und mir notierte: 

„Es gibt einen Film „Das Duell der Magier“ und dort reden sie am Anfang davon, dass der Wolf sonst von Bären gefressen und zerrissen wird. Das ist jetzt sehr merkwürdig, dass das hier im Film auftaucht.“

Anschließend ließ ich den Traum hinter mir und wendete ich mich wieder dem zu, was mir wichtig war und schaute mir ein Video mit Anna Maria Groß von 2014 an: 

„Sie sagt: Am Anfang sucht man danach. So doll. Will es finden und schaut es auch ab und zu. Aber irgendwann säuft das Ich darin ab und verschwindet und dann gibt es nur noch Freiheit und das Sein. Kein Ich mehr und keine Suche, da es einfach ist. 

Denn wo noch ein Suchender ist, gibt es nur Freisein. Das heißt, es gibt auch noch ein Nicht-Freisein. Da ist also noch jemand, der das Freisein oder Unfreisein fühlt. 

Absolut ist jedoch nur die Freiheit. Diese Freiheit bist du selbst und daher kann sie nicht mehr erlangt werden.“

Was Anna Maria Groß hier beschrieb hat Krishnamurti, wenn ich mich recht erinnere, als den Einbruch in die Freiheit beschrieben. 

Wer hier ab und zu mitgelesen hat, der erinnert sich vielleicht daran, dass ich auch noch die Meditation auf den inneren Ton machte. Wir alle können diesen hohen göttlichen Ton nach ein wenig Übung hören, wenn wir stillsitzen und lauschen. Es ist kein Ton, der von außen kommt, sondern der Ton kommt von innen. Ein hoher Piepton. MP3 Aufnahmen hierfür könnt ihr im Internet finden. 

Im März 2016 lief noch meine einjährige Wartezeit (so lange, weil ich vorher Reiki machte) für die Aufnahme in das Surat Shabd Yoga oder auch „Pfad der Meister“ genannt. Die Meditation auf den inneren Ton ist neben der Meditation auf das innere Licht bei diesen Meistern eine der wichtigsten Meditationsübungen.

Für meine Yoga-Lehrerin, die meine Aufnahme betreute, schrieb ich meine bisherigen Erfahrungen während der letzten Monate in einem Bericht zusammen: 

Tagebuch 06.03.2016:

  • „Der Ton ist auf der rechten Seite höher, als auf meiner linken Seite im Ohr. 
  • Auf der rechten Seite ist der Ton noch sehr fiel feiner geworden.
  • Wenn der Ton laut und deutlich zu hören ist, dann geht er förmlich durch meinen ganzen Körper. Erst durch die Kopf- und Nasennebenhöhlen und dann spüre ich ihn überall im Körper. Als würde eine Geigen- oder Gitarrenseite in mir angeschlagen werden und jede Zelle meines Körpers zum Schwingen bringen. In diesen Momenten bin ich sehr konzentriert und habe das Bedürfnis, absolut gerade zu sitzen. Es kommt zur Spannung, Anspannung und dann zur Entspannung.
  • Gleichzeitig spüre ich, wie ein Luftzug über mein Gesicht hinweggeht. Ich spüre ihn an den Wangen und an der Nase. 
  • Außerdem spüre ich meinen Scheitel-Chakra und das ist oft so stark, dass es schon weh tut. Als würde etwas herein oder herauswollen. 
  • Auch habe ich oft einen Druck in der Brustgegend und muss bewusst Atem holen. 
  • Manchmal gibt es ein Gefühl der absoluten Leichtigkeit
  • Der Ton ist meistens sofort da, sobald ich mich darauf konzentriere.
  • Oft summen auch die Bienen im Ohr.“

Tagebuch 07.03.2016:

„Über Amazon habe ich mir Bücher aus Deutschland über Ramana Maharshi bestellt. Er soll vielen auf den Weg zum Selbst geholfen haben. Ich bin schon sehr gespannt darauf.

Jeden Morgen beim Aufwachen und vor dem Einschlafen denke ich an das große Eine. Auch tagsüber führen mich meine Gedanken ständig zu diesem Thema. Ich muss daran denken, dass alles so ist, wie es ist perfekt ist und dass ich ein Teil von diesem vollkommen Perfekten bin. Ich muss daran denken, dass da etwas auf mich wartet und ich es wiedersehen und wiedererkennen kann, wenn der rechte Zeitpunkt da ist. 

Nur schon der Gedanke daran erfüllt mich mit so großer Freude, dass meine eigene Geschichte immer mehr in den Hintergrund gerät. 

Die Lust und das Gefühl der Dringlichkeit, dass ich meinen Kindern etwas über mich aufschreiben und ihnen hinterlassen müsste, damit sie mich und meine im Leben getroffenen Entscheidungen besser verstehen können, verschwindet immer mehr. Monika verschwindet langsam mit der Selbsterforschung und ich frage mich, ob solche Notizen überhaupt noch einen Sinn ergeben würden oder ob ich es doch noch schnell machen soll, bevor ich mich ganz und gar auflöse? Ist es wichtig für Sie?“ 

Wenn ich heute auf meine Notizen von 2016 schaue, weiß ich, dass meine persönliche Geschichte nur insofern eine Rolle spielt, als dass sie mich zum Jetzt geführt hat. Alles, wirklich alles, was ich in diesem Lebenstraum erfahren durfte, war notwendig, um endlich wenigstens einmal im Hier anzukommen. Und natürlich spielt daher meine eigene Geschichte für meine Kinder nur in diesem Zusammenhang eine Rolle. Der Rest, also diese kleinen und großen Dramen in meinem Leben sind für mich und für sie völlig unwichtig. 

Sie träumen ihren eigenen Traum und wenn sie bereit sind, sich für das Leben zu öffnen und begreifen, dass sie es nicht dirigieren können, werden auch sie im Hier mit großer Dankbarkeit ankommen.

Nur in diesem Zusammenhang wären mir heute meine persönlichen Notizen für sie noch wichtig und so ist es gut, dass aus meinem persönlichen Drama-Tagebuch des Lebens ein Yoga-Tagebuch einer Suchenden geworden ist. 

Die Dramen in unserem Leben machen wir uns immer selbst, und hinzu kommt, dass wir sie auch immer wiederholen, wenn wir das nicht erkennen. 

Tagebuch 09.03.2016:

„Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich den letzten Schritt noch nicht wage. Trennung ist doch unsere Gewohnheit. Und wenn keine Trennung mehr da ist, kann ich dann noch meine Kinder als meine Kinder erfahren? Kann ich womöglich mein Leben, meinen Partner usw. nicht mehr genießen? Gerade läuft doch alles so gut. Auch bei den Kindern. Würde ich das auch noch alles spüren?

Ich halte nicht wirklich an diesen Dingen fest, aber ich kann beobachten, wie ein letztes Band mich hält. Loslassen bedeutet Tod. Tod bedeutet Gott. Gott bedeutet Liebe für alle/s. Werden darin die Gefühle für meine Kinder untergehen?

Es ist, als stünde ich vor der Tür und würde mich nicht trauen, wirklich einzutreten. 

Ich kann nicht anders, aber wenn ich rausgehe, muss ich immer etwas für die Hunde, Vögel oder Esel, die hier herumlaufen, einstecken.“

Die bedingungslose Liebe zu meinen Kindern war zwei Jahrzehnte lang mein Lebensantrieb und meine Identifikation. Sie prägte mich. Wenn diese Mutterrolle, die ich in diesem Leben einnahm, als spirituelles Hindernis wegfallen würde, wer oder was wäre ich dann noch?

Unglaublich, wie sehr ich mich mit dieser Rolle identifizierte. Diese Liebe zu meinen Kindern und diese Identifikation waren so stark, dass ich aus dem „Erwachenszustand“ heraustrat, als mir bewusst wurde, dass meine Kinder nicht wirklich existieren. 

Es war nicht die Erkenntnis, dass ein Ich, also Monika nicht existiert, sondern dass als Konsequenz auch meine eigenen Kinder nur Illusionen sind. Und das ging mir dann zu weit, so dass ich vom Zustand des Einsseins mit allem um mich herum wieder in die Trennung kam.

Habt einen schönen Abend und eine tolle Woche, Monika  

PS: Lieber Arkis, ich vermisse deine Beiträge und Kommentare sehr. In Liebe, Monika 


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