Der Müll im Geist

Wer sich mit Buddhismus befasst hat der weiß, dass es so etwas wie Buddhisten zu Zeiten des Buddha nicht gegeben hat. Buddha nannte seine Schüler Sekha. Sie waren einfach die Lernenden. 

Ich denke, in den gängigen Religionen dürfte das ähnlich sein. Erst nach dem Tod der Propheten entstanden Christen, Mohammedaner usw. 

Ich fühle mich zu den Propheten sehr hingezogen, während ich jede Form der Religion und deren Institutionen ablehne.

Religionen arbeiten meistens mit der Angst. Wenn du nicht tust, was wir dir sagen, dann kommst du in die Hölle. Für Buddha (wie für die weisen Yogis) war es wichtig, dass man dem Heiligen Pfad nicht folgt, nur weil es in den Schriften steht. 

Er wies darauf hin, dass der Heilige Pfad von Menschen als heilig erklärt wurde. Und können wir Menschen erkennen, ob dieser Pfad heilig ist oder nicht? Nur, wenn wir selber heilig sind, ist es uns möglich. 

Es reicht nicht, wenn die Familie davon berichtet. Es reicht eben auch nicht, wenn alle anderen diesen Weg gehen. „Komm und sieh‘ selbst“ sagt Buddha „und schau, was mit dir passiert.“ Propheten/Meister/Gurus sind nur Wegweiser. Den Pfad muss man als Suchender schon selber gehen. Und deshalb habe ich mich auch so gerne mit Buddha befasst. Es gibt diesbezüglich keinen Unterschied zum Yoga. 

Nur wenn man das Gefühl hat, sein Allerbestes auf dieser Reise gegeben zu haben, dann entsteht ein Gefühl der Kompetenz. Es ist eben wie eine Ausbildung. Das gilt es zu erkennen. Hinzu kommt die Meditation, die uns klar aufzeigt, wie es in uns selbst aussieht. Wir denken immer, wir würden uns kennen, aber wer meditiert, sieht die Unruhe, die in uns allen herrscht. Sieht die vielen streitenden Gefühle und die ewigen Wünsche, die uns treiben. 

Die buddhistische Nonne Ayya Khema hat das so wunderbar klar und einfach in ihren You-Tube Videos vorgetragen.

In der ersten Ebene taucht der Wunsch auf, es selbst ausprobieren zu wollen. 

Die zweite Ebene ist das Ausprobieren und das Sich-selbst-erfahren in der Meditation. 

Die dritte Ebene handelt vom Selbst, d. h. dass das sogenannte ICH, MICH untersucht wird. 

Dieses Forschen kann erst einmal auf intellektueller Ebene stattfinden und wird dann durch die Meditation und Hingabe vertieft. Wir erkennen, es gibt keine Sicherheit. In keinem einzigen Augenblick des Lebens.    

Tagebuch 12.01.2016:

„Diese drei Ebenen können zusammen einen Lebenssinn ergeben. Es geht dann um das spirituelle Wachstum. So begibt sich das Bewusstsein noch im Leben auf eine Ebene, wo die Welt noch existiert. Aber wir bekommen eine andere Weltsicht, die uns die ganze totale und absolute Wahrheit zeigt.

Laut Buddha befinden wir uns im Moment nur auf der relativen Ebene. Wenn das Bewusstsein wächst, offenbart sich uns die absolute Ebene. Wir erkennen, dass es eine Schöpfung gibt, die allein durch Willenskraft entstanden ist und aus lauter Energie besteht.“ 

Neben den täglichen Yoga- und Atemübungen meditierte ich 2016 wie immer mindestens eine Stunde am Tag, d. h. meistens nachts, wenn alle schliefen. In diesen stillen Momenten kamen meine Gedanken immer wieder auf die Lehre des Buddha zurück: Die Ohren hören aber der Geist verarbeitet es. Die Augen sehen aber der Geist verarbeitet es. 

Ich erkannte in dieser stillen Stunde den Gedankenmist, den ich während des ganzen Tages über aufgenommen hatte. 

Ganz richtig sagte Ayya Khema in ihren Videos hierzu, dass wir beim Essen darauf achten, was wir zu uns nehmen, aber unseren Geist schütten wir den ganzen Tag mit Müll zu. 

Internet und Zeitungen sind voll von Meinungen, und diese tauchten in meiner Meditation immer wieder auf. Verpasse ich etwas, wenn ich keine Zeitung lese oder Nachrichten schaue? Muss ich wissen, was in der Welt vorgeht? 

Ayya Khema brachte es auf den Punkt, wenn sie sagte, in der Welt geht immer das Gleiche vor, und zwar die sechs Wurzeln, wie Buddha sie nannte: Liebe/Hass, Großzügigkeit/Gier, Weisheit/Unwissenheit. Drei heilsame und drei unheilsame Wurzeln (siehe Beitrag vom 25.03.2022, Aus Angst wird Gnade). 

Namen ändern sich, Quantitäten ändern sich, aber ansonsten bleibt immer alles gleich. Wichtig ist, dass wir uns selbst vor unheilsamer Nahrung schützen. Buddha redete daher nie über Krieg/Politik, Sex, Geld und Besitztum. 

Ich schwieg ja schon seit Jahren einmal in der Woche und dabei lernte ich, zuzuhören und mich selbst zurückzunehmen. Ich achtete also auch weiterhin darauf, dass ich in einer Gesellschaft mehr zuhörte und beobachtete, anstatt selbst zu reden. Besonders dann, wenn es gar nicht um wirkliche Kommunikation ging, sondern nur um Selbstdarstellung oder Rechthaberei. 

Tagebuch 16.01.2016:

„Auch ich kann bei mir beobachten, wie ich mich bei bestimmten Themen immer mehr zurückhalte. Alles wurde doch schon gesagt, und tatsächlich will ja niemand etwas verstehen und dann ändern, sondern es geht nur ums Kritisieren, Jammern und Besserwissen. 

Es ist für mich sehr interessant, den Unterhaltungen um mich herum zuzuhören und die Menschen dabei zu beobachten. Ich spüre auch, dass es niemandem auffällt, dass ich gar nichts sage. Es geht ihnen selbst nur ums Reden und daher passt das schon für sie. 

Wenn ich spüre, dass die Gespräche nicht effektiv sind oder gar negativ, dann drehe ich mich auch weg oder entferne mich unauffällig. Das merkt auch keiner, so sehr sind sie mit sich beschäftigt. 

Heute z. B. waren wir in einem Möbelgeschäft und zwei Personen aus unserer Gruppe entfernten sich, indem sie auf die Schränke zuliefen. Ich hörte, wie sie sich auf Deutsch über alles lustig machten, weil es nicht ihren Vorstellungen oder dem deutschen Standard entsprach. Sie achteten nicht auf die anderen Menschen im Geschäft und so nahmen sie deren Reaktion nicht wahr.

Ich stand neben der Geschäftsinhaberin und versuchte, sie in ein freundliches Gespräch zu verwickeln, denn auch wenn sie Deutsch nicht verstand, erkannte sie sehr wohl, dass es hier bei den „Späßen“ um ihre Möbel ging. Ich spürte ihre Unsicherheit und versuchte zu vermitteln, denn schließlich war ich auch noch diejenige, die hier übersetzen musste. Das war für mich sehr anstrengend und es nervte mich, denn ich musste dieses arrogante deutsche Verhalten irgendwie höflich herunterspielen. 

Ich kann nicht anders, ich muss einfach immer freundlich und rücksichtsvoll sein. 

Ich versuche selbst emotionslos zu bleiben und zu begreifen, dass diese Menschen, die mich am meisten herausfordern, meine Lehrer sind. Solche Situationen sind meine Prüfungen. Ich versuche nicht über sie zu urteilen, sondern darauf zu achten, was es mit mir macht.“ 

Meinungen und Ansichten sind überflüssig. Laut Buddha gibt es 62 Arten von Ansichten, und sie sind alle falsch, da sie nicht auf der absoluten, sondern auf der relativen Ebene wirken. Wichtiger ist es, den Geist zu entleeren. 

Dieses Entleeren des Geistes strebte ich an und hierfür wollte ich meine Zeit nutzen, denn ich war mir mit Hilfe der Buddhistischen Lehre meiner eigenen Vergänglichkeit immer mehr bewusst. Alle sind schon tot, die nicht mehr hier sind. Und auch für mich kann es in jeder Sekunde zu Ende gehen. 

Nach 7 Jahren sind alle Zellen im Körper erneuert worden. Es findet also im Körper ein ständiger Zerfall und Aufbau statt. Ein Sterben und wieder Geborenwerden in jeder Sekunde. Diese eine Sekunde waren wir jemand, der in der nächsten Sekunde gestorben ist und das wiederholt sich ständig. Was habe ich mit dieser einen Sekunde meines Lebens gemacht?

Wenn man über einen längeren Zeitraum meditiert, dann breitet sich das Verhalten in der Meditation allmählich auf den ganzen Alltag aus. Die stille Beobachtung nach innen und die dadurch gewonnene Einsicht werden Bestandteil unseres Lebens. Das Meditations-Objekt an sich spielt keine Rolle mehr. Der nervige Nachbar oder der gestresste Mensch am Schalter, der langsame Fahrer des Autos vor uns oder die Sitzung beim Zahnarzt können zum Meditations-Objekt werden. Am Ende bleibt nur noch das Ein- und Ausatmen übrig. Alle Gedanken und Emotionen lösen sich von selbst mit der vorüberziehenden Situation einfach auf. 

Gedanken und Emotionen haben keine Kontrolle mehr über uns. Das war mein Ziel, um im Alltag friedlich ohne Ärger und Angst leben zu können.

Natürlich wollte ich außerdem die Meditation vertiefen, damit sich die Türen nach innen immer weiter öffnen und Gott sich mir irgendwann offenbaren konnte, so wie es Buddha und die weisen Yogis vorhersagten. 

Tagebuch 16.01.2016:

„Wir müssen in der Meditation Ruhe finden, damit der Geist beim Meditationsobjekt bleibt. Reines Fixieren auf einen Punkt für eine gewisse Zeit, damit das Denken aufhört. Wir bleiben im Moment. Nur reines Erleben soll übrig bleiben. 

70 % unserer Gedanken führen zu nichts und sind unnötig. Dies gilt es zu erkennen und dann muss man sich das auch noch zugestehen. Wir erkennen dann, dass der Geist uns nicht gehorcht und wir absolut keine Kontrolle über ihn haben. Erst mit Hilfe der Meditationsübungen bringen wir ihn unter unsere Kontrolle. 

Sind wir an diesem Punkt, brauchen wir das Meditations-Objekt nicht mehr. Die Tür nach innen wurde geöffnet. 

Wir gelangen in den Vorraum und dort gibt es statt der Konzentration auf die Methode, die wir ja überwunden haben, ein sehr angenehmes Körpergefühl. Erleben stellt sich ein. Erleben ohne Denken. Der Atem wird immer feiner, bis man ihn kaum noch spürt. 

Möglicherweise werden wir darauf aufmerksam und stellen uns erstaunt die Frage, wo ist mein Atem geblieben? Atme ich überhaupt noch?

Anschließend fallen wir aus der Meditation heraus, weil wir angefangen haben zu denken und diese Ruhe nicht mehr wiederfinden. Anstreben können wir diesen Zustand nicht, denn wenn die Suche losgeht, geht Denken los und dann gibt es ein Ziel und wenn ein Ziel da ist, dann ist die Zeit mit im Spiel. Der Wunsch sorgt für ein Anhaften und dann wird keine wirkliche Meditation eintreten können. 

Das Erleben des angenehmen Gefühls setzt voraus, dass wir aufgehört haben zu denken. Dieses Aufhören des Denkens ist das Wichtigste, was wir im Leben lernen können. 

Ayya Khema sagt: Dieser Juwel des Geistes ist in uns. Er ist der einzige Juwel, der etwas wert ist. Er hat den Samen der Erleuchtung. Der Körper ist das Medium, das diesen Geist trägt.“

Aufwachen war bis dato bei mir noch nicht passiert, aber irgendetwas in mir trieb mich immer weiter. Und es sollte auch nicht mehr lange dauern, bis ich genau all dies erfahren durfte. Bis dahin putzte ich den Juwel jeden Tag in und an mir immer weiter, damit ich in der Lage war zu empfangen. 

Niemand sagte es mir. Niemand verlangte es von mir. Warum ich so darauf vertraute und warum ich immer weiter ging, weiß ich nicht. Aber nichts anderes in meinem Leben war mehr wichtig. Ich wusste einfach, dass es wahr ist. 

Und es ist wahr. Eigentlich die einzige Wahrheit. Alles was sich verändert, ist nicht real. Weder der eigene Körper, noch die Dinge, die wir mit den Augen sehen existieren wirklich. Und doch ist scheinbar alles hier. 

Habt ein schönes Wochenende, Monika 


5 Gedanken zu “Der Müll im Geist

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