Aus Angst wird Gnade

Für diesen Beitrag lese ich wieder in meinem Yoga-Tagebuch. Im Januar 2016 beschäftigte ich mich noch einen weiteren Monat lang intensiv mit der buddhistischen Lehre und ich sehe heute, wie mir damals Stück für Stück meine Illusion über dieses gedachte Leben geraubt wurde. Dies endete damit, dass ich im Februar 2016 in eine tiefe spirituelle Depression fiel.

Heute beim Lesen begreife und erkenne ich und daher laufen die Tränen. 

Wie besessen hörte ich mir im Januar 2016 jeden Tag die Vorträge der wunderbaren Ayya Khema im Internet an. Ich wollte Buddhas Lehre unbedingt verstehen. Nach jedem Vortrag beobachtete ich mich dann im Alltag selbst, d. h. meine Gedanken, Worte und Taten sowie die meiner Mitmenschen. Alles, was ich zuvor über Yoga oder Buddhismus gelesen oder gehört hatte offenbarte sich mir mit zunehmender Deutlichkeit und es erschütterte mich. Ich wurde immer stiller. Auch meine Träume setzten mir zu. 

Tagebuch 07.01.2016:

„Wir erkennen, dass wir alles in uns haben. Keiner kann es uns geben.

Meditation ist Wissenschaft des Geistes und muss in einem spirituellen Pfad eingebettet sein.  

Unendlicher Raum, unendlicher Geist sind erlebbar aber nicht erdenkbar. 

Alles hängt zusammen und alle Mystiker haben das erkannt:

  • im Hinduismus: TAT TVAM ASI
  • Meister Eckhart: Ich bin Gott. Gott bin ich.“

Wieviel Mühe und Arbeit an mir selbst, wieviel schlaflose Nächte hatte es mich gekostet, um nur für einen winzigen Augenblick diese Aussagen der Weisen erleben/begreifen zu dürfen. Und doch würde ich es niemals anders machen wollen. Eine Begegnung mit sich selbst ist das Wichtigste und das Einzige, was man im Leben tatsächlich „erreichen“ kann. Man erkennt sofort, dass alles andere einfach keinen Sinn ergibt. 

Deshalb musste ich auch erst in aller Deutlichkeit sehen und verstehen, wie mein Gehirn und der Körper wirklich funktionieren (mein sogenanntes Ich), und dass es sich tatsächlich bei allen Gedanken und Taten immer nur um Wiederholungen (eine Konditionierung) handelte. Dann konnte/musste nach und nach alles und somit die Illusion, dass ich ein getrenntes Individuum mit einem eigenen Willen bin, wegbrechen. 

Ganz schonungslos half mir hier die Lehre des Buddha. 

„Im Buddhismus wird das Denken als sechster Sinn bezeichnet (im Yoga sagt man, dass der innere Sinn – wozu auch die Gedanken und das Gemüt gehören – der 11. Sinn sei). Wer anfängt zu meditieren merkt, dass die Gedanken absolut unzuverlässig sind. Sie sind nicht glaubwürdig und niemals in der Gegenwart. Wenn man länger meditiert, entsteht Achtsamkeit und man lernt so seinen Geist immer besser kennen und sehen: 

Wir werden mit sechs Wurzeln geboren: 

3 Heilsame3 Unheilsame
LiebeHass (etwas loswerden wollen)
Großzügigkeit/ FreizügigkeitGier (etwas haben wollen)
WeisheitVerblendung (durch Nichtwissen)

Spirituell sein heißt nichts anderes, als dass man seine Gedanken und Emotionen erkennt. 

Es gibt laut Buddha nur vier Gefühle, die es wert sind, dass man sie hat, und sie sind nicht in Sinneskontakten zu finden:

  1. Liebende Güte
  2. Mitgefühl
  3. Mitfreude
  4. Gleichmut (nicht Gleichgültigkeit) ist die höchste aller Emotionen

Buddha sagt, Liebe, so wie wir sie kennen, ist wie Ware auf einem Basar. Wir geben Liebe und wollen etwas dafür. Wahre Liebe ist, wenn wir geben und nichts erwarten. Je mehr Liebe wir geben, desto mehr Liebe spüren wir im Herzen. 

Was wir kennen ist jedoch, dass wir geliebt werden wollen, weil wir uns dann liebenswert fühlen, und das befriedigt nur unser Ego. 

Die Liebesfähigkeit des Herzens muss so entwickelt werden, dass es zur Selbstverständlichkeit wird zu lieben. Hierfür gibt es im Buddhismus auch die verschiedenen Meditationsarten, damit man diese Gefühle in sich entwickeln kann. 

Fördere die eigene Entwicklung, dann entwickelt sich auch deine Umwelt. Sie ist dein Spiegel.“

Einmal in der Woche machte ich damals die Metta-Meditation (zur Entwicklung meines Mitgefühls). Als Mutter kann man sich dieses Gefühl vielleicht sowieso besser vorstellen. Die eigenen Kinder liebt man bedingungslos. Es geht hier darum, alle Wesen auf die gleiche Art zu lieben, wie eine Mutter. Eine liebende Mutter sieht in ihren Kindern immer nur Engel, egal was sie tun. Man bringt Verständnis auf. Es soll ihnen immer gut gehen. Warum können wir nicht alle Kinder, alle Menschen und alle Lebewesen auf dieser Welt lieben? 

Weil sie nicht so aussehen und funktionieren, wie es uns gefällt? Es kann sein, dann wir uns sehr liebevoll und zeitintensiv um ausgesetzte Straßenhunde oder Katzen kümmern, doch wenn wir eine Spinne oder einen Skorpion sehen, dann erschlagen wir diese ohne Hemmung sofort. Da tauchen Angst auf und Ekel und die Gewissheit, man hätte das Recht, diese Wesen zu töten. Wenn man erkennt, warum man tötet, reagiert man nicht mehr, sondern agiert. Dann kann man diese Lebewesen ganz behutsam mit einem Glas einfangen und im nahegelegenen Wald aussetzen.

Und so machen wir es auch mit den Menschen. Der berühmte Blick ins Gesicht oder auf die Schuhe und fertig ist das Urteil. Unsere Konditionierung sorgt dafür, dass wir andere Wesen und auch sonst alle Geschehnisse um uns herum (oder heute auch aus den Medien) bewerten. Wir haben zu allem eine Meinung und ganz schlimm ist es, wenn wir auch noch recht haben wollen. Dann gibt es auch keine Basis mehr für ein offenes Gespräch, und somit ist auch spiritueller Fortschritt nicht möglich. 

Aber was schreibe ich hier! Habe ich nicht damals im Traum auf Vögel eingeschlagen? 

Tagebuch 08.01.2016:

„In der Nacht bin ich wieder wach geworden und habe meditiert. Ich hätte ewig meditieren können und nur aufgehört, weil ich sonst zu wenig Schlaf und Kopfschmerzen bekommen würde. Die Migräne, die sich gestern ankündigte, hat sich jedoch durch die Meditation und einige Übungen einfach in Luft aufgelöst. 

Um 03.00 Uhr bin ich dann wieder ins Bett gegangen. Als ich lag und die Augen schloss, sah ich wieder Muster. Diesmal in schwarz-weiß. Schöne Formen und Ornamente. Auch so etwas, was aussah, wie eine Holzmaserung. Ich sah alles sehr detailliert. Dann schlief ich ein. 

Ich träumte auch sehr viel. Kann mich aber nur noch an sehr wenige Details erinnern. Es gab zwei Riesen, die viel Schaden anrichteten. Dann gab es ein leeres Haus und in diesem hatte ich geschlafen. Zwei kleine Vögel (Spatzen?) kamen und piekten mich mit ihrem Schnabel. Sie bissen mich sogar und aus meinem Finger rissen sie ein Stück Haut heraus. Ich musste aufstehen und vor ihnen fliehen und sie am Ende jagen und töten. Sie waren sehr gefährlich. Ich lief ins Obergeschoss. Dort gab es eine Dusche ohne Vorhang. Plötzlich kamen Leute ins Haus, um es zu besichtigten.“

In der Traumdeutung stellen Vögel eigentlich die Freiheit und die Seele des Menschen dar. Kleine Vögel, wie Spatzen/Sperlinge deuten jedoch auch auf Ärger, Unannehmlichkeiten und Geschwätz hin. 

In der Traumdeutung stand noch, dass Sperlinge auf das Gewöhnliche im Leben aufmerksam machen. Es hat sehr wohl seinen Wert und kann für die transzendente Weiterentwicklung sehr wichtig sein, und darauf soll der Traum aufmerksam machen. 

Ich verstand jedoch nicht, warum diese kleinen Vögel meinen Körper angriffen? Griff meine Seele meinen Körper an? Das erinnerte mich an den Traum von den Schildkröten, die ebenfalls auf mich zukamen und mich verletzen wollten. 

War ich auf meiner Suche zu ehrgeizig und zu rücksichtslos gegenüber meinem eigenen Körper oder gar gegen meinen Partner, der von alldem nichts verstand und nichts verstehen wollte? 

„Ich träumte auch von Glocken. Zweimal konnte ich die Glocken im Traum läuten hören und im Traum erzählte ich meinem Liebsten davon.“

Auch diese Analyse des Traums ist nicht nur positiv. Glocken können das Bewusstsein symbolisieren und das Bedürfnis, von anderen Menschen Bestätigung zu erfahren. Das Läuten kann sowohl auf Gefahr hinweisen oder auf etwas, was man im Leben nicht übersehen/hören sollte als auch auf frohe Botschaften. Ich war völlig überfragt und notierte: „Will ich meinen Partner mit aller Gewalt davon überzeugen, dass es so etwas wie ein universelles Bewusstsein gibt?“

Dieses starke Bedürfnis, über das Erlebte – welches über alles hinausging, was ich je erfahren hatte – und die dadurch vollzogene Veränderung in mir sprechen zu wollen, führte immer wieder zum Streit zwischen mir und meinem Partner. Anschließend zog ich mich dann stets zurück mit einem Gefühl der Einsamkeit und Traurigkeit. 

Ich sagte mir stets, er muss mich doch entweder für völlig verrückt halten, wenn ich ihm von meinen Erlebnissen/Phänomenen und Erkenntnissen erzähle oder er geht davon aus, dass da etwas dran ist. Dazwischen gibt es nichts. Entweder ist es wahr oder nicht. Oder kann einem das tatsächlich total egal sein?  

Heute sagt er nicht mehr mit einer wegwischenden Handbewegung, dass es Gott nicht geben würde. Er weiß heute auch, dass das Wort „GOTT“ auch nur eine Erfindung des Menschen ist. Er sagt heute, dass er es nicht ausschließen kann, dass es so etwas wie Gott/Erleuchtung/Wahrheit/Weisheit tatsächlich gibt, weil er diese Erlebnisse/Erfahrungen/Phänomene nicht hatte. Das ist für mich ein riesengroßer Unterschied. 

Das vorherige war Arroganz und Ignoranz, und das, was wir heute miteinander teilen, ist Toleranz. Dafür bin ich dankbar. Und doch bleibt da immer ein Nachgeschmack, weil ich ab und zu teilen wollte und dann versuchte ich zu erklären, was nicht zu erklären war. Ich wollte niemals missionieren, sondern nur darüber sprechen und doch fühlte es sich von seiner Seite aus sicher wie ein Insistieren an. 

Ich konnte nicht begreifen, wie ein Mensch sich nicht dafür interessieren kann, wer er ist und was der Sinn des Lebens ist. Dabei habe ich in diesen Augenblicken die eigene und von mir immer so hervorgehobene Konditionierung einfach ausgeblendet, nur weil ich jemanden brauchte, der mit mir darüber sprach.

Heute habe ich mich unter Tränen dafür bei ihm entschuldigt, nachdem ich die folgende Zeilen über „Gottes Willen“ las: 

Das Leben wird durch alle menschlichen und anderen Körper, und somit auch durch meinen eigenen, selbst erlebt. 

Der Wille Gottes ist dem Körper-Geist-Organismus schon im Augenblick der Zeugung aufgeprägt (Konditionierung). 

Zur spirituellen Suche kommt es, weil der jeweilige Körper-Geist-Organismus diese Programmierung hat, und nicht weil der Betreffende den Entschluss gefasst hat, sich auf die Suche nach Erleuchtung zu machen.

Zum Annehmen von Gottes Willen kommen wir nur, wenn das Gottes Wille ist.“ (aus Ramesh Balsekars Buch „Wo nichts ist,…“) 

Ich schrieb heute in mein Yoga-Tagebuch:

Tagebuch 22.03.22: 

„Ich verstehe aus tiefstem Herzen, dass Gott auf diese Art und Weise durch mich wirkt. Deshalb muss Monika jetzt als Suchende durchs Leben gehen. Ich begreife, ich war schon immer eine Suchende. Erst musste es in meinem jungen Leben immer weiter gehen, dann als Erwachsene immer höher und nun eben immer tiefer. 

Ich bilde mir auf nichts etwas ein. 

Ich habe keine Schuldgefühle, kenne keine Eifersucht oder Neid.

Ich hasse nicht, denn „niemand“ tut etwas.

Durch Gottes Gnade bin ich nun immerhin schon zur Suche nach innerem Frieden gekommen, und weil Gott nicht anders kann, wird er diesen Prozess weiter fördern. Aufwachen passierte immer wieder.

Mein Kopf steckt bereits tief im Rachen des Tigers. Es gibt kein Entkommen mehr (Ramana Maharshi).“

Was bei mir die Gnade war, schien damals meine Hölle zu sein. Es war die Angst. Die Panikattacken brachten mich zum Yoga/Meditation. Angst ließ mich dann auch aufwachen. 

Angst/Trauma/Kummer/Leid gehören laut Buddha – wie oben aufgeführt – zu den drei Unheilsamen Wurzeln des Menschen, denn wir wollen sie loswerden. Was habe ich meine Angst gehasst. I

Wenn man sich jedoch auf die innere Reise einlässt und diese Gefühle/Gedanken im Leid untersucht, dann wird erkannt, dass sie in sich die Gnade Gottes tragen, und dann werden sie zu einem Geschenk.

Habt ein schönes Wochenende, Monika


6 Gedanken zu “Aus Angst wird Gnade

  1. Warum immer alles so hoch ansetzen? Die Lehre des Buddha ist logisch und für jeden zu verstehen. Mein Zugang zum Buddhismus ist ein anderer pragmatischer. Er/das Meditieren tut mir gut. Punkt. Da kamen auch keine schlaflosen Nächte. Wenn ich etwas nicht verstehe, vertraue ich auf Buddhas Lehren, dass ich es später begreifen werde, wenn ich mehr weiß. Ich wünsche Dir alles Gute,
    Ulrike

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    1. Hallo Ulrike, vielen Dank für deinen Besuch und Kommentar. Ja, ich verstehe dich. Das sind andere Ansätze. Sicher hat das etwas damit zu tun, dass wir anders geprägt sind.
      In meinem Leben gab es nie Vertrauen, was mit meiner Kindheit zu tun hatte. Daher gab es dann später auch 30 Jahre lang Panikattacken. Ein Glauben=Vertrauen, war mir somit nicht möglich. Ich musste alles untersuchen. Verstehen.Jeden Zweifel ausräumen. Und nur so konnte ich „Glauben“ überspringen und ins absolute Verstehen = erlebtes Wissen eintauchen.
      Das liegt auch daran, dass Yoga so gestrickt ist, womit ich mich vor dem Buddhismus beschäftigte. Da ging es nie ums Glauben, sondern immer ums Forschen. Nachprüfen. Erleben. Deshalb konnte ich damals Yoga für mich als Hilfe aus meiner Angst akzeptieren. Es wurde nicht von mir verlangt, zu glauben oder zu vertrauen. Da ging es um Selbsterforschung und das war für mich genau das Richtige.
      Erst danach war ich auch in der Lage, Buddha oder Jesus zu verstehen.

      Ich finde es schön, wenn jemand, so wie du, vertrauen kann. Das ist ein großer Vorteil und bringt von Anfang an schon Leichtigkeit ins Leben.
      Das war mir nicht gegeben. Darum könnte ich dich glatt beneiden :-).
      Mein Weg war jedoch dieses Forschen und Suchen, bis ich endlich selbst zu Buddha wurde(Beitrag: Ich bin Buddha), erkannte, dass ich selbst das Universum (Beitrag: Ich bin das Universum) bin und die Evolution.

      Ich schicke viele liebe Grüße, Monika

      Gefällt 2 Personen

  2. Hab irgendwann und im Nirgendwo vergessen zu suchen oder gar verstehen zu wollen, was kein Etwas ist, da ist nichts, kein Ding, keiner mehr da, niemand sucht und keiner findet. Wo nichts ist , ist alles, ist der Fokus darauf weg, sind das Da und das Weg einfach weg, beides versenkt im Nirgendwo, dass ebenfalls nur Vorstellung ist. Lieben Gruß mit danke.

    Gefällt 1 Person

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