Den Tod untersuchen II

Auch wenn ich schon längere Zeit Yoga machte, waren es tatsächlich die Worte der buddhistischen Nonne Ayya Khema, die mich 2016 dazu ermutigten mich ernsthaft mit dem Tod auseinanderzusetzen. Ich wollte mich diesem Thema endlich stellen.

Mit der Yoga-Praxis hatte ich meine Panikattacken überwunden, und nun wollte ich wissen, wieviel Angst steckt da noch in mir. Die Hauptangst des Menschen ist die Angst vor der Vernichtung. Diese Angst lauerte natürlicherweise auch noch in mir.

Ayya Khemas Worte ermutigten mich dazu, den Tod zu akzeptieren und ihn mehr in mein Leben zu integrieren, damit er nicht mehr fremd und bedrohlich wirkt. Wenn Angst da ist, gibt es Aggressionen (siehe Pandemie). Angst um die eigene Existenz ist daher Ursache aller Probleme. 

Sie empfahl auch, Bücher über Nahtoderfahrungen zu lesen. Ich sah mir daraufhin die Berichte und Interviews im Internet von verschiedenen Menschen an, die über ihre Erfahrungen berichteten, während mein Mann sich in einem anderen Zimmer Spielfilme ansah. Ich staunte über diese unglaublichen Geschichten von so vielen Menschen, die den Tod erlebten/überlebten. Das ist mir damals wahrhaftig nicht leichtgefallen, war das doch für mich so, als würde man mit dem Finger direkt in meiner tiefsten Wunde, der Todesangst, herumbohren. 

Alles was Ayya Khema sagte, stellte sich später, nach meiner eigenen genaueren Untersuchung, als richtig heraus. 

Tagebuch 04.01.2016:

„Der Tod ist ein sanfter Übergang zu einem neuen Erlebnis. Der Tod ist nur der Verlust des Körpers, und je mehr man mit sich identifiziert ist, desto mehr Angst hat man vor dem Tod. 

Wer uns aggressiv gegenübersteht, der hat große Angst. 

Diese Angst können wir diesen Menschen nicht ausreden. Das müssen diese Menschen selbst überwinden.“ 

Dass der Tod ein sanfter Übergang in ein anderes Erleben ist, kann ich heute bestätigen, nachdem ich es des Öfteren selbst erleben durfte.

Wenn man seine eigenen Ängste untersucht, wird man auch erkennen, dass der zweite Satz von Ayya Khema richtig ist. Danach ergibt es keinen Sinn, auf aggressive Menschen mit Wut zu reagieren. Das führt nur zu weiteren Eskalationen. 

Dass auch der letzte Satz richtig war, konnte ich schon 2016 bei mir und meiner eigenen Familie erkennen. Bei all meinen eigenen irrationalen Ängsten war mit logischen Argumenten nichts zu erreichen. Statistiken und Erfahrungsberichte änderten nie irgendetwas an meiner Angst. Die Angst und Ich, wir waren eins und gehörten zusammen. Ich war Angst. 

Nachdem ich diese Ängste nach und nach überwunden hatte, konnte ich anschließend dieses irrationale Verhalten sehr viel besser bei meiner eigenen Familie beobachten und verstehen. Obwohl ich ja selbst nun als bestes Beispiel für ein angstfreies Leben vor ihnen stand, gelang es mir nicht, dass sie mir nur mal zuhörten. Wie auch ich damals, hielten sie an ihrer Angst fest, als würden sie sofort sterben, wenn sie sie nur einen winzigen Augenblick losließen. 

Da begriff ich, dass ich ihnen überhaupt nicht helfen kann. Kein Argument fruchtet, wenn sie nicht selbst die Angst so satt hatten und den innigsten Wunsch hegten, diese Angst abzulegen. Der erste Schritt muss also von ihnen kommen und nicht von mir. 

Hierher passt der wunderbare Satz von Ayya Khema: „Wir sind im Prinzip genau das, was wir sein wollen, wir wissen es nur nicht“. Erst wenn wir gelernt haben, loszulassen, werden wir diesen Satz verstehen. 

Sterben bedeutet loslassen wer man ist, was man ist und was einem gehört. Wer das nicht begreift, wird den bekannten Todeskampf austragen müssen. Und wer irrationale Ängste hat, der führt diesen Todeskampf ja praktisch den ganzen Tag über aus. Aus diesem Grund war ich früher immer im Dauerstress. Stets saß mir die Angst im Nacken. Überall drohte Gefahr. Ständig musste ich mich schützen. Jedes Wehwehchen schien eine unheilbare Krankheit zu sein. Jede Einladung eine Qual. Ein Ortswechsel der Horror. Was für ein furchtbares Leben. 

Ich notierte und lernte weiter:

„Die starke Begierde der Existenz bringt nur Probleme mit sich, wie z.B. beim Besserwisser. Er möchte jemand sein. Wozu?

Die Länge unseres Lebens ist karmisch bedingt. Wir sind nicht der Körper. Der jetzige Mensch und der wiedergeborene Mensch sind nicht die gleichen. Sie sind aber auch nicht vollkommen verschieden. Buddha vergleicht das mit einer Kerze. Eine neue Kerze wird am Feuer der verlöschenden Kerze entzündet und auf diesen endenden Kerzenrest gestellt. Ist diese Flamme nun die gleiche oder eine andere?

Es ist weder die gleiche noch eine andere. Es sind die karmischen Ereignisse, mit denen wir hier erscheinen. Je mehr schlechtes Karma ich jetzt mache, desto schwieriger ist es zu sterben.“

Was Karma bedeutet, das wusste ich 2016 noch nicht so genau, weil ich mit der Vorstellung von Reinkarnation nicht aufgewachsen bin. Es ist für den Verstand daher sehr schwer zu begreifen. Erst nachdem Aufwachen passierte, ergab das Wort Karma für mich einen Sinn.

Wer Angst oder ein großes Ego hat, dem fällt es nicht leicht, zu meditieren, denn bei der Meditation (so wie es die Yogis oder Buddhisten verstehen) geht es am Ende darum, den Denkvorgang total abzuschalten, damit die Stille/Gott/Wahrheit Einlass finden kann. Wenn wir also sitzen und meditieren, dann haben wir keine Ego-Unterstützung mehr durch das Denken. Es ist niemand mehr da, der uns bestätigt, dass wir da sind. Somit ist richtige Meditation tatsächlich wie sterben. 

Ayya Khema sagte damals etwas, was mir sehr half, mein Ego und meine Angst vor dem Tod genauer zu untersuchen: 

Stell dir vor, du liegst jetzt auf dem Totenbett. 

  • Was ist noch nicht erledigt? 
  • Wo hafte ich noch an, dass mein eigener Tod mir so bedrohlich vorkommt?  

Meistens ist das stärkste Anhaftungsobjekt wir selbst (oder die Kinder, die noch Hilfe brauchen), und mit diesem Anhaftungsobjekt lässt es sich schwer sterben. Man verdrängt daher den Tod oder lehnt sich dagegen auf. 

Das gilt auch für das Leben selbst. 

Wogegen ich mich auflehne, wird das Leben schwerer machen.

Wo ich mitfließe, wird es einfacher werden.

Und am einfachsten ist es, wenn das Ich sich überhaupt nicht mehr in den Weg stellt.“

Es klingt so wunderbar und scheint so simpel. Wie schwer das aber tatsächlich ist und wieviel Vertrauen man dafür braucht, sollte ich noch über all die Jahre lernen. 

Darum geht es auch beim Yoga. Die absolute Verschmelzung mit dem, was ist. Ohne Widerstand sein. Auch wenn Angst da ist. Unserem Verstand jedoch erscheint das total absurd, und daher ist es so wichtig, ihn zum Schweigen zu bringen, damit wir die Wahrheit hinter dem ganzen Gedankenschrott erkennen können.

Hier helfen diese Übungen mit den Fragen auf dem Totenbett. Man kann das im Sitzen während der Meditation üben oder sich hinlegen. Wer es noch effektiver möchte, der kann sich – gerade auch dann, wenn er Angst hat – nackt auf den Boden legen und sich vorstellen, dass man hier und jetzt eben einfach sterben würde. 

Wenn man das ernsthaft durchzieht, lernt man loszulassen. Es wird einem klar, auch dieser Körper wird sich auflösen und wir können gar nichts dagegen tun. Alles Materielle wird vergehen. Diese bewusste Hingabe an das, was auch immer jetzt passieren wird, ist sehr befreiend. Tränen können laufen, weil nicht nur die Hilflosigkeit und die Ohnmacht erkannt werden, sondern auch die Sinnlosigkeit des Widerstandes.  

Wenn man es nur eine einzige Sekunde schafft, Gedanken und Körper so loszulassen, dann kann es außerdem passieren, dass sich einem offenbart, was man wirklich ist. 

Ayya Khema sagte dazu, „das Ego verschwindet, die Angst verschwindet und es bleibt die Leichtigkeit und das Gefühl des Eingebettetsein im universellen Geschehen.“ 

Der Tod verliert seine Bedrohung und man versteht, warum Buddhisten beim Tod gratulieren und nicht zur Geburt eines Kindes. 

Habt ein schönes Wochenende, Monika


9 Gedanken zu “Den Tod untersuchen II

  1. Liebe Monika, ich denke so oft an Dich und an das was Du in Deinem Buch schreibst, denn seitdem ich den Schlaganfall im Juni 20 hatte, hat mich die Angst zu sterben voll im Griff, was mir in all den Jahren vorher erspart geblieben war. Da jammerte ich nur über fehlende Freude im Leben und der Angst vorm Altwerden; was natürlich auch jetzt noch zum Vorschein kommt.
    So wie Du die Meditation beschreibst habe ich sie auch in meinem Kopf, und zog das so auch immer wieder durch, mit einer nachfolgenden unglaublichen Entspannung im Geist.
    Doch jetzt werde ich von der Angst blockiert die fragt: „und was ist, wenn ich meinen Körper dann am Höhepunkt dieser völligen Entspannung wirklich verliere? Wenn ich mit der Beherrschung, meinen Körper völlig auszublenden, meiner Seele die Möglichkeit gebe, dass sie ihn verlassen kann – mit einem Wort, dass ich damit meinen Tod selbst herbei führe“.
    Was für ein klägliches Karusell, in dem ich mich eben befinde mit einem scheinbaren „no way out“ 😥
    Drück Dich ganz lieb und schicke Dir liebe Grüsse aus Wien
    >3 >3 >3

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    1. Liebe Doris Barbara, ich habe tatsächlich schon von Yogis gehört, die ihren Körper ganz bewusst verlassen haben. Das ist aber sicher nur möglich, wenn man sehr gezielt darauf hin arbeitet und womöglich einen Meister/Lehrer hat, der einem zeigt, wie das funktioniert. Dann ist immer noch große Disziplin und viel Übung nötig, um dieses bewusste Verlassen aus dem Körper möglich zu machen. Diese Yoga-Meister, die dazu fähig sind, entscheiden in dem Moment wohl auch, über welches Chakra sie den Körper verlassen, weil dies großen Einfluss auf die Wiedergeburt haben soll. Es soll auch Meister geben, die ihren Körper über alle sieben Chakren verlassen haben. Man sagt, sie werden nie wieder geboren und sind vollkommen befreit.

      Ich kann mir tatsächlich nicht vorstellen, dass so etwas zufällig oder aus Versehen passiert, wenn wir meditieren. Es kann aber passieren, dass man aufwacht. Dann ist man noch in seinem Körper aber man erkennt, dass man nicht bzw. nicht nur der Körper ist. Aber auch hierfür habe ich Jahre gebraucht, um mich ganz dem Augenblick hingeben zu können.

      Und es ist nichts, wovor man Angst haben muss oder Angst hat, wenn man es erlebt. So jedenfalls aus meiner Erfahrung. Es ist ein Geschenk und befreit uns von jeglicher Angst. Damit kommen wir auch zu deinen Liebsten, die du ungerne zurücklassen möchtest (siehe Antwort unter deiner zweiten Frage).

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  2. Da wäre noch eine Frage liebe Monika. Und zwar das Loslassen der Wesen, die Dir in dieser Welt wichtig sind. Denn was in mir den massivsten Schmerz auslöst ist die Vorstellung, wie es denen geht, die ich liebe, wenn ich nicht mehr da bin.
    Mag vielleicht läppsch klingen, doch ich weiss, dass man Mann meinen Hund ganz sicher nicht streicheln wird, ja nicht einmal mit ihm eine Runde um den Park drehen wird. Er wird ihn füttern und zwischendurch Leckerle geben, und das wars dann. Was für ein einsames Leben ist meinem Hund also vorbestimmt, wenn es mich nicht mehr gibt?
    Doch ebenso denke ich an meinen Mann. Auch hier weiss ich, dass er völlig vereinsamen wird, denn er kann nicht aus sich heraus gehen. Hätte niemanden mehr, der ihn versorgt und mit dem er sich geborgen fühlt in dieser Welt. Also das selbe Einsamkeitsbild in meinem Kopf, das mir sagt: „Du darfst nicht sterben, denn Du würdest ein Tier und zwei Menschen (da ist noch ein lieber Freund, dem ich auch sehr fehlen würde) alleine zurück lassen.“
    Wie gehst Du damit um, Monika? Wie kannst Du diese Sorge ausblenden? Du hast zwei Kinder und einen Partner – was denkst Du wie es in denen aussieht, wenn Du gehst? Es geht also letztlich gar nicht wirklich um einen selbst, sondern vielmehr um die, die wir lieben. Die sind doch die Grundlage der Angst vor dem Sterben.
    Oder nicht?

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    1. Wenn Aufwachen stattfindet, dann bist du nicht mehr gefangen in deinem Kopf. Du erkennst, dass sich das Leben nicht so darstellt, wie du gedacht hast, wie das Leben ist oder sein sollte. Es herrscht auf einmal absolutes Vertrauen in allem, was ist und ein Einssein mit allem (= das bedeutet auch Yoga). Etwas Getrenntes, wie Ich, Du der Hund, der Mann die Welt gibt es nicht mehr. Du bist all das, was du siehst und du erkennst, dass du dir diese Welt, in der du lebst, selbst so geschaffen hast.
      Das ist ein Zustand, den man logisch nicht erklären kann. Es ist ein nondualer Seinszustand.

      Wenn man länger Yoga macht, lernt man diese ganze Weisheit theoretisch, prüft sie nach, erforscht und zweifelt, bis man bei großem Engagement und Hingabe selbst auf dieses Wunder stößt. Es ist so, wie es in allen heiligen Büchern steht und auch wie Jesus oder Buddha es gesagt haben.

      Dies sorgt für einen gewissen Abstand von der eigenen Person zu dem, was sich nun in der Welt zeigt. Man ist nämlich mit etwas verbunden, was größer ist, als all diese Sorgen, die immer nur im Kopf/Denken stattfinden. Man weiß, dass für alle/s gesorgt ist.

      Das macht uns jedoch nicht zu Menschen ohne Mitgefühl. Im Gegenteil. Es gibt extrem viel mehr Mitgefühl und womöglich auch viele Tränen. Aber es gibt kein Leiden mehr. Denn wir verstehen, dass wir nichts wissen. Wir wissen daher auch nicht, warum diese Menschen/Kinder/Tiere usw. diesen Weg gehen müssen. Wir wissen nur, dass es alles gut so ist, weil Liebe und Vertrauen uns führen und nicht mehr die Sorgen und die Ängste.

      Alles, was Sorgen macht, findet immer nur in unserm Kopf statt und was dieser Kopf uns von dieser Welt erzählen möchte, stimmt leider nicht. Unser Kopf weiß gar nichts! Er will immer nur diesen Körper schützen. Will immer hier bleiben. Immer und ewig leben. Für sich und wenn das nicht reicht, dann eben für andere. Das ist seine Aufgabe. Wenn er still wird, siehst du was wirklich da ist und das alles gut ist.

      Ich hoffe, ich konnte ein wenig helfen. Es ist nicht leicht, dass so knapp zu erklären und erst recht nicht leicht, es so zu verstehen. Ich glaube es könnte dir helfen, weiter deine Bücher zu lesen von Menschen, die dich inspirieren und weiter zu experimentieren und zu meditieren.
      Meditation fängt dann an, wenn der Gedanke Doris Barbara sich völlig auflöst. Ein Wunder! Liebe Grüße, Monika

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      1. Vielen Dank Monika
        Es war gut zu verstehen und jetzt auch einleuchtend für mich, dass alles Leid in meinem Herzen davon rührt, dass „ICH“ immer noch viel zu präsent bin. Doch es ist ein Trost zu wissen, dass ich nicht unfähig bin, sondern lediglich noch nicht soweit kam.
        Alles Liebe und Gute Dir und Deinen Lieben
        D.B.

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