Dieser Satz taucht gerade immer wieder in meinen Gedanken auf. Es ist die Essenz meiner jahrelangen Suche. Mehr ist nicht zu erklären, und mehr gibt es nicht zu tun.
Wenn irgendein Prediger, Lehrer oder Guru mehr verlangt, dann frage dich, warum er das tut und was er davon hat. Gott ist in uns und immer da, wird jedoch von unseren Gedanken, unseren Wünschen und unserem Wollen/Nichtwollen überschattet. Es ist so einfach. Schwierig ist allein, die eigene Person mit all ihren Bedürfnissen zurückzunehmen.
Nur daran muss gearbeitet werden, und das erfordert Disziplin. Jeden Tag immer wieder. Ich begriff 2015, dass Krishnamurti für mich ein wunderbarer Lehrer ist. Er hat nie etwas versprochen oder über meditative Erfahrungen gesprochen. Er hat nie geschwärmt oder einen Weg aufgezeigt. Und so sind viele seiner Zuhörer zu anderen Gurus gelaufen, die ihnen Glückseligkeit oder anderes versprachen. So hingen sie fest in spirituellen Erwartungen, anstatt einfach nur an sich selbst zu arbeiten und endlich still zu werden.
Tagebuch 18.08.2015:
“Krishnamurti ist ein sehr anspruchsvoller Lehrer. Etwas, was mich besonders herausfordert, und deshalb bin ich von ihm auch so fasziniert. Er verlangt, dass wir selbst begreifen, was in uns vor sich geht. Dass wir uns ganz bewusst ändern. Dass wir unser Gehirn von der Konditionierung befreien und so die Gesellschaft ein bewussteres Leben anstrebt. Krishnamurti war enttäuscht von der Unfähigkeit der Menschen, seine “Lehre” zu begreifen und danach zu handeln und dass stattdessen alles immer so weiterging, besonders in seiner Heimat Indien.
Selbst hier an diesem schönen Ort an der Ägäis versuche ich mich noch mehr zurückzuziehen und stiller zu werden. Dabei fällt mir auf, wie laut und voll hier alles ist. Es ist Sommer und die Ferienhäuser sind belegt. Die Menschen versuchen mit allen Mitteln, Lärm zu machen. Es wird gebaut, obwohl es normalerweise im Sommer immer Baustopp gibt. Aber wenn ein Rechtsstaat sich auflöst und die Wirtschaft im Steilflug nach unten ist, regieren Korruption und Rücksichtslosigkeit und nehmen ohne Hemmungen immer mehr zu.
Sind die Istanbuler in ihren Ferienhäusern, fahren die Verkäufer mit ihren Lieferwagen durch die Straßen und bieten über Lautsprecher ihre Ware oder Dienstleistungen feil. Teppichreinigungen, Obst und Gemüse, Altmüllsammler usw. Im Sommer wird es in Istanbul ruhig, weil die Istanbuler ihre Unruhe und ihren Geldbeutel mit an die Ferienorte bringen.
Es gibt sogar eine kleine Bar am Strand, in der Tekno-Musik bis 2.00 Uhr nachts läuft. Ich höre das Wummern der Bässe bis nach Hause und kann nicht einschlafen. Unser Mietshaus ist vielleicht ein bis zwei Kilometer vom Strand entfernt. Ich habe das Gefühl, die Natur ist plötzlich so weit weg, obwohl unser Haus doch mitten drin steht. Sie wird von den Menschen völlig übertönt. Überschrien. Mit Müll zugeschüttet. Ausgesaugt.
Es ist noch zu heiß, um tagsüber etwas zu unternehmen, und Spaziergänge sind daher nur am Abend möglich. An der Strandpromenade ist es immer voll. Gestern waren wir dort essen. Alle Tische waren besetzt. Die Restaurants liegen nebeneinander und man kann nur an den Farben der Stühle oder Tischdecken erkennen, zu welchem Betrieb sie gehören. Aus jedem Geschäft dringt laute Musik, und einige Meter entfernt spielen sie im Teegarten sogar Live-Musik. Tatsächlich kann ich mich auf keine einzige Musik konzentrieren und fühle mich gestresst. Ich verspanne mich. Ich sitze einen Meter vom Wasser entfernt und kann das Rauschen der Wellen nicht hören, so laut ist es.
Ist die Musik laut, werden auch die Unterhaltungen um uns herum immer lauter. Ich habe keine Freude am Essen und will nur nach Hause.
Wieder zu Hause denke ich darüber nach, ob ich meine Beziehung riskiere, wenn ich mich nun noch mehr zurückziehe. Wie geht es weiter? Wer ist mein Lehrer? Gab es früher schon einmal einen Lehrer für mich, so wie es meine Yoga-Lehrerin sagte? Wo kam dieser Duft her? Wollte mich jemand an etwas erinnern? Bin ich soweit, dass ich weitergehen kann?
Obwohl es sehr heiß ist, dass ich kaum sitzen und meditieren kann, tue ich es trotzdem. Ich brauche es. Ich meditiere inzwischen völlig frei, ohne Mantra, ohne Atembeobachtung. Manchmal halte ich die Augen offen und schaue auf die Bäume, auf das Wasser, auf die Wand, auf ein Bild. Oder ich schließe ich die Augen und versuche die Augäpfel still zu halten, was mir manchmal mit offenen Augen leichter gelingt.
Oft denke ich, es geht nicht weiter. Aber ich verzweifle nicht. Ich vertraue darauf, dass ich das bekomme, was ich bereit bin zu empfangen. Dann bin ich eben noch nicht soweit, denke ich. Akzeptiere es. Manchmal ist da ein Hauch von einem Licht oder so etwas wie Stillstand. Dann fangen die Gedanken wieder an und alles verschwindet. Ich sage mir innerlich, sei still und beobachte nur, aber es ist schon entwischt.
Ich merke, wie beim Auftreten des Lichts oder der Tiefe in mir eine Art Freude oder Erwartung da ist und genau das verhindert, dass ich verschwinden und für Gott Platz machen kann.
Ich weiß es, und doch kann ich es nicht ändern. Und das ist es, woran wir in der Meditation arbeiten. Kennenlernen, beobachten und arbeiten. Der Verstand ist so raffiniert. Er holt Gedanken aus der fernsten Ecke, und manchmal sind sie total irrwitzig. Es sind Gedanken, da frage ich mich, wo kommen die jetzt her? Und all das, um mich von meiner Konzentration abzulenken. Warum will der Verstand verhindern, dass wir zu Gott kommen?
Weil er , der Verstand/das Ego, dann durchschaut und ausgelöscht wird und keine Macht mehr über uns hat?
Krishnamurti sagt hierzu, dass die Angst, nicht zu sein, ausgelöscht zu werden, in jedem von uns in jeder einzelnen Zelle schlummert. Das ist unser Erbe. Wenn der bewusste Teil von uns erwacht ist, hat er keine Furcht. Weshalb sollte ich mich fürchten, wenn Angst Teil meines Wesens ist? Wenn der Mind still ist, lass die Angst einfach aufsteigen, dann kommt die Spirale der Angst zum Stillstand. Ist man frei von Angst, ist man frei von Zeit.”
Ich bin Krishnamurti so dankbar. Wie oft habe ich seine Worte über die Angst gelesen und gehört und immer wenn die Angst wiederkam, setzte ich mich hin und meditierte. Beobachtete, wie die Angst körperlich wie eine Welle vom Bauch nach oben in die Brust aufstieg. Wie sich der Atem verändern wollte. Flacher. Schneller. Wie die Gedanken ihre gewohnten Kreise zogen und mich in die Panik treiben wollten. Aber Panik kam nie mehr. Keinen Widerstand zu leisten und nicht vor der Angst davonzulaufen war die einzige Möglichkeit, der Panik Herr zu werden und nicht umgekehrt. Ich beobachtete die Angst, meine Gedanken und meinen Atem, den ich kontrollierte. Dann zog sie einfach durch mich hindurch.
Ich lese gerade in meinem Yoga-Tagebuch, dass ich ich dort einen Satz von Krishnamurti notierte, der mit meiner Überschrift fast übereinstimmt.
Tagebuch 19.08.2015:
“Kernpunkt seiner Aussage (Krishnamurtis): Solange Du existierst, kann DAS ANDERE nicht existieren.
Solange der Verstand in Bildern der Vergangenheit gefangen ist, kann das Herz nicht in der Gegenwart leben. Liebe ist Gegenwart – nicht das Morgen.”
Wenn man diese innere Reise/Selbsterforschung nicht gerade ganz alleine in einer einsamen Höhle macht, hat man auch noch ein soziales Umfeld, mit dem man während dieser Zeit umgehen muss. Und irgendwie möchte man das Innen und Außen in Einklang miteinander bringen. Das würde aber nur gehen, wenn man im Kloster oder Ashram leben würde, da dort alle das gleiche Interesse haben sollten.
Wenn man jedoch die einzige Person ist, die nach innen forscht, dann versucht man die anderen entweder irgendwie mitzunehmen oder man muss sie hinter sich lassen. Und das ist noch mal eine ganz besondere Herausforderung, da es zu Missverständnissen und Verletzungen führen kann.
Denn wir wollen nicht daran erinnert werden, dass wir immer über alles jammern, aber nichts ändern. Wir lieben es zu klagen und uns über Gott und die Welt zu beschweren. Wer will da den Finger sehen, der auf uns und nach innen zeigt und sagt, alle Probleme dieser Welt liegen in dir selbst. Erkenne das und ändere dich.
Als ich alles aus zweiter Hand (Bücher, Medien, Internet etc.) beseite ließ, fiel mir erst einmal auf, wie sehr wir darin gefangen sind. Schon morgens, bevor man sein eigenes Befinden oder Umfeld wahrnimmt oder gar das Fenster geöffnet und die frische Luft hereingelassen hat, werden über die Medien die neuesten Meldungen aus der ganzen Welt ins Haus gelassen. Und schon hat man die ersten Probleme, mit denen sich der Verstand beschäftigen kann, auch wenn sie einen selbst gar nicht betreffen, sondern sich in Afrika oder Amerika abspielen. Wenn man das auch noch am Abend wiederholt, dann nimmt man diese Bilder und Meinungen auch noch mit in den Schlaf. Weil der Fernseher das Wohnzimmer dominiert, fing ich an, mich recht früh zurückzuziehen und zu meditieren.
In letzter Zeit fiel mir auf, dass ich in der Meditation immer sofort Geräusche wahrnahm, die mich an Bienen oder Hummeln erinnerten.
“Ich habe dieses Summen im Ohr. Es ist nicht direkt im Ohr, es ist um meinen Kopf herum und es ist sehr intensiv. Auch jetzt noch, während ich hier im Tagebuch alles aufschreibe, höre ich das Summen. Selbst wenn ich die Ohren zuhalte ist es da. Ich sitze, meditiere (konzentriere) und der Schweiß läuft. Die Bienen summen. Der Kopf ist schwer und doch so leicht, ich kann es nicht beschreiben. Langsam ist vielleicht das richtige Wort. Langsam und ruhig mit dem Summen.
Das erinnert mich an die himmlichen Glöckchen (siehe Beitrag 52), die ich damals überall um mich herum hörte.”
Tagebuch 20.08.2015:
“Heute waren wir wieder im Meer schwimmen. Das bedeutet mir sehr viel, da ich im Wasser das Gefühl von Freiheit und Glück erfahre. Wir gehen abends schwimmen, wenn alle anderen schon auf dem Weg nach Hause sind und die Sonne langsam hinter den Bergen untergeht. Nach dem Schwimmen sitze ich noch ein wenig am Strand und beobachte, wie die letzten Sonnenstrahlen verschwinden. Ein großer herrenloser Straßenhund kam auf mich zugelaufen und setzte sich neben mich. Er legte seinen Kopf auf meinen Oberschenkel und die Pfote auf mein Schienbein. Ab und zu schaute er nach links den Strand entlang und knurrte in diese Richtung. Es fühlte sich so an, als wolle er mich beschützen. Dann legte er auch die andere Vorderpfote auf meinen Unterschenkel, so als wolle er verhindern, dass ich aufstehe. Das war schön. Ich fühlte mich wohl.
Nach der Katze im Frisörsalon in Istanbul war dies das zweite fremde Tier, dass sich zu mir legte und Nähe zeigte.
Während der Meditation spüre ich oft auf dem Kopf ein Kribbeln. Manchmal ist es sehr stark und schmerzt richtig.
Ich wünsche mir anschließend, dass universelle Intelligenz da durchfließen möge.
Aus einem alten Schrankteil und Umzugskartons hat mir mein Schatz einen Schreibtisch gebaut, damit ich nicht immer beim Schreiben auf der Erde sitzen muss. Das ist toll. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Nun habe ich in einem kleinen leeren Zimmer diesen Tisch, eine Lampe, meine Yoga-Bücher, die Yogamatte und das ist nun mein Yoga-Zimmer. Mehr brauche ich nicht.“
Tagebuch 22.08.2015:
“Krishnamurti zitiert Buddha: Die Glückseligkeit des Mitgefühls ist das Ende allen Leidens. Ich lese weiter, dass man mit dem Göttlichen nur mit einem offenen, empfänglichen Bewusstsein, das nicht an Macht oder Status interresiert ist, in Verbindung treten kann. Man müsse eine absolute geistige Reinheit besitzen.
Das sagen alle Lehrer und auch steht es so in den Upanishaden. Bin ich selbst noch zu sehr im Denken des “Werdens” und des “Wollens” verhaftet? Muss ich mich noch strenger beobachten?
Zu Buddhas Lebenszeiten gab es nach 50 Jahren nur zwei Schüler, die es zur Erleuchtung gebracht haben. Und ich hab nicht mal irgendeinen einen Lehrer.“
Voller Freude stoße ich beim Lesen (Krishnamurti) auf einen Hinweis darauf, wie Krishnamurti mit spirituellen Erfahrungen umgeht.
“Krishnamurti: Ich sagte mir, dass ich sehr genau beobachten müsse, ob ich mir etwas vormachte oder einer Illusion zum Opfer gefallen war, ob dieser Prozess vielleicht den Wunsch ausgelöst hatte, den Zustand zu wiederholen oder auszudehnen oder zu manipulieren. Ich habe sehr genau darauf geachtet, dass überhaupt kein Wunschdenken ins Spiel kommt, denn in dem Moment, in dem Wünsche ins Spiel kommen, wird der Zustand zu einer Erinnerung und die Energie ist verpufft.”
Ich verstand es sofort, denn gerade hatte ich ja die gleiche Erfahrung ins Tagebuch geschrieben. Sobald der Wunsch und somit die Person auftaucht, verschwindet Gott. Ich notierte:
“Ich bin ziemlich aufgeregt, weil ich immer mehr verstehe, was Krishnaji sagt oder vielmehr sagen möchte.”
Endgültiges Verstehen war aber erst da, als das Ich/Du verschwunden war.
Ich wünsche euch ein schönes Wochenende, Monika
Vielen Dank liebe Monika
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Liebe Grüße an Dich und die Mail kommt noch.
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Dies, was ich selbst Ich nennt, will jedes Wort davon mit einem O-ja-Häkchen versehen, liebe Monika ;o) o, wie ich mich spiegele. TV Brot und Spiele, Unterhaltung Konsum, all dieser laut lärmende Plunder, z. B. ad hoc Deutschland EM, das ist Bratwurscht und Bier *g* und Co … alles so hohl …. nun ja, jedem sein Spaß, selbst kann ich all dem nichts abgewinnen, will mich aber auch nicht mit mokieren&lästern daran anhaften. Krishnamurti las ich als ich zwanzig war, „Einbruch in die Freiheit“ ja, das ging rein wie feinste Speise für die Seele.
Dank, liebe Grüße.
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Hallo lieber Arkis. Mit 20 hätte ich Krishnamurti wahrscheinlich nicht verstanden :-).
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Bin halt ne Ausnahmeerscheinung *lächel* und war als Kind schon seltsam und schauend unterwegs, war nicht immer nur lustig ;*)
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Du hattest vermutlich eben gewisse und andere Prioritäten, kann mir aber schon vorstellen, dass da immer das Gefühl von; da fehlt etwas, da war, ganz tief innen schlief es und wartete auf seine Erweckung. Selber, wollte schon früh Kunst machen und fühlte mich davon vertrauter Weise angesprochen.
°°-)
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