Zum einen steckte ich mitten in einer Krise und wusste nicht, wie es mit dem Leben weitergehen sollte und zum anderen wurde ich gerade durch den Wegfall jeglicher Sicherheiten und Beziehungen so frei, dass ich bis nach Australien fliegen und mir einen Traum erfüllen konnte.
Diese neu gewonnene Freiheit wurde jedoch hin und wieder von meinem Reisebegleiter A. heftig eingeschränkt. Ich hätte nicht gedacht, dass mich schon so schnell nach diesen wunderschönen Erlebnissen mit den Walen irgendetwas dermaßen erschüttern könnte. Aber da hatte ich die Rechnung ohne A. gemacht, der noch in den letzten Tagen eine Riesenshow auf Lager hatte. Ich will euch ja nicht quälen (das geht an diejenigen, die gegen A. schon heftige Abneigungen entwickelt haben 🙂 ), aber diesen skurrilen Abschluss der Reise möchte ich euch doch nicht vorenthalten.
Aber lest selbst 🙂
Tagebuch 28.07.2012:
“Ich war stolz und erleichtert, die Entscheidung getroffen zu haben, A. in Brisbane in der Nähe des Flughafens abzusetzen und freute mich auf die letzten zwei Tage ohne ihn.
Weil er seine PIN nicht kannte, konnte er angeblich auch kein Geld vom Automaten abholen, so dass er von mir Bargeld haben wollte. Außerdem, so teilte er mir auf der Fahrt nach Brisbane mit, solle ich ihm die Ausgaben für die Reise zurückerstatten und dann fing er an aufzuzählen, was er alles ausgegeben hätte. Ich war völlig fassungslos und dachte, er wäre jetzt total irre geworden, denn die Kosten wurden regelmäßig geteilt, bzw. am Ende habe ich das meiste bezahlt, weil er sich nicht mal mehr um die Tankfüllung oder das Essen kümmern konnte. Und überhaupt, für das Hotel solle ich auch aufkommen.
Am Airport war eine Tankstelle und ich hielt dort an, da ich im Dunkeln in diesem Verkehr den Weg zum Hotel nicht mehr suchen wollte. Anschließend musste ich schließlich noch weiter zu meiner Freundin fahren, die zwei Stunden entfernt von hier in der Wildnis wohnte.
Ich gab A. 50 AUD (das war die Hälfte von dem, was ich noch an Bargeld hatte), damit er sich an der Tankstelle ein Taxi zum Hotel (welches in Sichtweite war) rufen konnte. Im Hotel kann er ja dann schließlich mit seiner Kreditkarte bezahlen.
Anschließend haben wir (ich und meine Tochter) uns in der Dunkelheit in Brisbane völlig verirrt. Ich musste seit drei Stunden aufs Klo und das Benzin ging uns aus. Ich wollte aber an der Tankstelle wo ich A. zurückließ, nicht aussteigen, sondern nur so schnell wie möglich wieder weg. Nachdem wir hilflos herumfuhren, fanden wir einen Platz, wo wir auf die Toilette und etwas essen konnten. Wir holten die Landkarte heraus und versuchten uns zu orientieren. Wo waren wir hier eigentlich gelandet?
In diesem Moment klingelte mein Handy. Ich war überrascht, weil es eigentlich immer ausgeschaltet blieb und nur in Betrieb war, weil ich meine Freundin vor kurzem über unseren Aufenthaltsort unterrichtete. Eine Frau vom Notruf der Firma unseres Campers aus Neuseeland war am Apparat. Sie hätte einen Notruf von einem A. erhalten. Ob ich den kennen würde und ob sie ihn durchstellen könne? Leider sagte ich ja und dann hatte ich die Plage – kann das nicht mehr anders beschreiben – , die ich gerade losgeworden war, wieder am Hals. Er hätte seine Geldbörse im Auto vergessen, sagte er. In solchen Momenten ist man mit den Nerven völlig am Ende und denkt, dass man gleich in Ohnmacht fällt.
Wie blöd kann ein Mensch eigentlich sein? Er wollte, dass ich wieder zur Tankstelle fahre und ihm seine Geldbörse bringe. Ich sagte ihm, dass ich keine Ahnung hätte, wo ich gerade sei und wie ich das wiederfinden solle und dann schaltete ich das Telefon erst einmal aus. Ich musste Luft holen.
Vor Wut zitterte ich am ganzen Körper. Wir gingen mit unserem Essen in der Hand zum Auto und schauten nach und tatsächlich, da lagen die Geldbörse und sein Handy. Meine Tochter sagte, wenn man ein Jahr lang so einen Blödmann suchen würde, würde man ihn nicht finden. Während der ganzen Reise hatte er das Handy immer und überall in seiner Hand und jetzt will er es vergessen haben?
Mein Telefon läutete wieder. Gleicher Notruf. Gleiche Firma. Eine andere Frau. Diesmal aus Brisbane. Ich erklärte ihr die Situation und dass ich nicht wüsste, wo wir uns gerade befänden. Sie versuchte zu helfen und sagte, wir könnten die Sachen von A. mit einem Taxi zu ihm schicken. Sie könne mir die Adresse mitteilen und ich solle sie notieren. Zettel? Stift? Stress. Ich lief mit dem Handy in der einen und dem Essen und der Cola in der anderen Hand wieder zurück in den Fastfood-Laden und bat um ein Stück Papier und etwas zu schreiben. Hatten sie nicht. Dann sollten sie mir die Adresse mitteilen, damit ich diese angeben könne.
Und was soll ich sagen, sie wussten tatsächlich die Adresse ihres Arbeitsplatzes nicht. Übrigens ihr Englisch war auch nicht besonders gut. Ob die Adresse vielleicht auf der Menü-Karte oder dem Kassenbon stehen würde, wollte ich wissen. Dann gab mir einer der Angestellten einen von den aufgespießen Bons und ich las die Adresse am Telefon vor.
In 15-20 Minuten wolle sie mit A. zu dieser Stelle kommen. Wir warteten. Meine Tochter fing an zu weinen. Wir holten die Sachen von A. nach vorne ins Fahrerhaus und als die Geldbörse aufklappt, sehe ich Geldscheine. Dann hatte ich keine Hemmungen mehr und schaute nach, wieviel Geld in der Börse war. 90 AUD. Dann hat er außerdem noch mindestens die 50 AUD, die ich ihm an der Tankstelle in die Hand drückte. Er hatte also insgesamt viel mehr Geld als wir beide. Er hatte uns angelogen.
Ohne weitere Skrupel nahm ich mir meine 50 AUD aus seinem Portmonnaie heraus. Wir wußten nun, dass er uns seit Tagen angelogen hatte. Meine Tochter sagte mir schon die ganze Zeit er würde lügen. Sie hatte recht.
Dann fuhr das Auto vor und eine sehr nette Frau stieg mit ihrem Mann und einem Hund aus dem Wagen. Ich bedankte mich für ihre Mühe, die sie sich mit ihrer Familie gemacht hatte und sagte, sie solle A. einfach irgendwo absetzen, wo er sich ein Taxi rufen kann.
Dabei sah ich, wie A. ebenfalls ausstieg und zu unserem Camper lief. Er versuchte wieder – wie schon seit drei Wochen – von der falschen Seite ins Auto einzusteigen. Da dort während der ganzen Fahrt unser Wassertank steht, ist diese Tür schon immer gesperrt. Bis zum letzten Tag hat er das nicht begriffen.
Sie nahmen A. wieder mit in die Stadt und der Ehemann war sichtlich genervt aber zu höflich, um den Vorschlag seiner Frau abzulehnen.
Dann war es geschafft. Wir waren A. los. Wohl oder übel würden wir ihn höchstens noch einmal am Flughafen beim Rückflug sehen.
Spät abends kamen wir bei meiner Freundin an. Sie war freundlich aber distanziert. Ich kam noch immer nicht an sie heran und sie versuchte es nicht einmal. Ich denke, dass wir hier eine tolle Gelegenheit verpassten, die man auch nicht wieder nachholen kann. Ich gebe niemandem die Schuld dafür. Darum geht es nicht. Jeder muss wissen, wieviel er zulassen kann und möchte.”
Tagebuch 29.07.2012:
“Meine Freundin musste arbeiten und ihr Lebenspartner versorgte uns mit Lebensmitteln. Dann zeigte er uns, wie schön sie sich das Haus in den letzten Wochen ausgebaut hatten. Ein Traumhaus auf einem Traumgrundstück. Von ganzem Herzen wünschte ich ihnen dort Glück und Zufriedenheit.
Ich hatte das Gefühl, dass die beiden sich in der letzten Zeit wieder näher gekommen sind und das freute mich.
Meine Kleine und ich reinigten nach dem Frühstück den ganzen Wagen und waren danach ziemlich erschöpft und müde.
Anschließend las ich noch das Buch über das Leben mit einem Narzissten zu Ende. Dabei kam Angst auf, denn ich wusste, ich muss demnächst in Istanbul meine persönlichen Sachen noch von unserem letzten Zuhause bei einem Narzissten abholen. Was sind mir nach der Scheidung nur für merkwürdige Männer begegnet? Gibt es überhaupt die Liebe? Das Glück? Vielleicht sollte ich doch bei Gott suchen?
Ich hänge emotional in der Luft zwischen Vertrauen und Angst. Zwischen alles wird gut, ich werde meinen Weg gehen, mir etwas aufbauen einerseits und der Panik, verloren zu gehen, alles zu verlieren, krank zu werden und einsam zu bleiben andererseits.
Aber durch Yoga kann mich diese Angst nicht wirklich packen. Ich bin zu stark. Vielleicht falle ich auf die Nase. Was dann passiert, werden wir dann sehen. Meine Kleine sagte mir, dass sie eine Vision von einem Yoga-Studio hatte. Sobald ich wieder in Istanbul bin, werde ich mich auf die Suche danach machen. Ich hoffe, wir haben erst einmal noch soviel Geld übrig, um nach der Rückkehr für eine Weile über die Runden zu kommen.“
Woran ich mich erinnere aber nicht aufschrieb ist, dass wir mit meiner Freundin auch noch am Strand spazieren waren. Anschließend gingen wir in ein Café. Sie beachtete mich nicht und redete mit den Leuten, die sie dort kannte. Ich fühlte mich die ganze Zeit sehr unwohl. Warum konnte ich nicht sagen, aber es lag etwas in der Luft. Etwas, womit ich nichts anfangen konnte. Erst als ich irgendwann aufstand und auf die Toilette ging, konnte sich dieses Ungewisse zeigen. Ich spürte es schon auf dem Weg zur Toilette, diesen Blick in meinem Rücken. Meine Schritte waren daher auch sehr unsicher. Ich achtete darauf, wo und wie ich ging aber an der Türschwelle stolperte ich doch und dann drehte ich mich um. Mein Blick traf auf das Gesicht meiner Freundin und dann sah ich die Schadenfreude und das gab einen Stich ins Herz.
Tagebuch 30.07.2012:
“Wir mussten den Camper abgeben und haben nun noch 10 Stunden am Flugplatz zu warten, bevor unser Flug aufgerufen wird. Meine größte Sorge ist im Moment, A. hier auf dem Flughafen zu begegnen und ich hoffe, er fliegt mit einer anderen Maschine. Die Vorstellung, mit diesem Pechvogel im gleichen Flugzeug zu sitzen, könnte wieder Flugangst auslösen.
Meine Freundin schreibt mir per SMS, schön dass ihr da ward. Was soll ich sagen? Ich würde meine Freundin nicht 10 Stunden auf dem Airport sitzen lassen. Es macht mich traurig, wenn ich daran denke.
Was erwartet mich in Istanbul? Entweder kann man denken, ein weißes unbeschriebenes Blatt und somit ein neues Leben oder ein großes schwarzes Loch.“
Ich habe mich für die erste Version entschieden, denn ich wusste, irgendetwas Wunderschönes wartet da noch auf mich :-).
Ich wünsche euch eine schöne Woche, Monika
Danke für den mitreißenden Text- ich konnte die damalige Situation sehr gut nachvollziehen und vor allem auch spüren, war nicht so schön, dein Schreibstil jedoch ist einfach toll. Und auch zur „Freundin“ – nun, ich habe solche Menschen mittlerweile aus meinem Leben entfernt,- hatte ich gestern mal in einer Gruppe erwähnt, da meinte ein Mann neben mir, dass ich dann wahrscheinlich nicht mehr soo viele Freunde hätte, wenn ich alle falschen Fünfziger, Nicht-Loyale und falsche Menschen aussortiert habe- ja, das stimmt. Eigentlich traurig oder? Höre das auch immer wieder, – da hast dann nicht mehr so viele Freunde- also ob wirklich 89-90 Prozent der Menschen zum Vergessen wären. Jedoch, bin ich lieber alleine, als solche „Freunde“ zu haben. Danke fürs Mitnehmen liebe Monika. Glg
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Vielen Dank für deine Zeilen. Wahrscheinlich gibt es Punkte im Leben, wo wir uns in andere Richtungen entwickeln. Da ich mit Yoga anfing, wurde ich neugieriger und offener für alles. Ich hatte das Gefühl, ich wurde immer weiter. Das hat mich verändert und Veränderung kommt bei den meisten Menschen, die uns anders kennen, nie gut an. Wenn ich deine Seite anschaue, da gibt es auch sehr viele Interessen. Mindestens 1000 und wer kann und will da schon mithalten :-). Liebe Grüße
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Danke liebe Monika, nun die Interessen kamen eigentlich erst danach heraus bzw. konnte ich sie nun hegen und pflegen, etwas, was vorher nicht möglich war. Job rund um die Uhr und und und- nun habe ich eher die Qual der Wahl, welche der Interessen nun nachgegangen wird, aber seeeeehr langsam kristallisieren sich nun größere Themen heraus – immerhin. Veränderungen sind immer ein Fortschritt. Ja, der Mensch ist ein Gewohnheitstier und die meisten Menschen mögen keine Veränderungen, lieber Jahrzehnte beim Alten bleiben und darüber jammern, als nur einen Babyschritt in eine andere Richtung wagen. Ich respektiere und bewundere dich sehr, dass du auf dein Inneres gehört hast. Glg
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Hoffentlich schaffst du es, die Narzisstenkette zu unterbrechen !
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