Tagebuch 13.04.2010
Ich bin traurig, weil heute schon Dienstag ist und ich habe keine Lust, nach Hause zu fahren.
Traum: Ich bin in einem Zug. Mir gegenüber sitzt ein Mann. Er ist 55-60 Jahre alt und trägt einen Anzug. Ganz seriös. Nicht mein Typ und ziemlich harmlos. Plötzlich bin ich in seiner Nähe. Sitze auf seinem Schoß. Es ist so schön warm und gemütlich. Alles fühlt sich so gut an. Ich bin ganz entspannt. Atme tief. Fühle mich absolut geborgen. Ich spüre die Kraft, die Energie und die Wärme. Spüre die Haut, die Muskeln, den ganzen Menschen.
Unsere Gesichter berühren sich. Wange an Wange. Ich habe Lust, ihn zu umarmen. Als mein Mund den seinen fast berührt, wende ich mich ab.
Dann schreiben wir etwas auf einen Zettel. Ich sage, ich will etwas ganz Neues machen. Ich will Krawatten entwerfen und verkaufen. Ich hoffe, er findet diese Idee gut und unterstützt mich dabei.
Wir fahren in einen Bahnhof ein und steigen aus. Gehen in ein Lebensmittelgeschäft. Dort legen wir unsere Notizen in ein Schubfach unter den Tresen. Ich will dem Mann meine Visitenkarte geben, kann sie aber nicht finden. Immer wenn ich eine Karte in meiner Tasche finde, ist es eine von unseren Kunden aber nie eine von der Firma, für die ich arbeite.
Jetzt taucht auch noch meine Freundin auf. Sie ist mir gegenüber sehr aggressiv und drängelt sich vor. Ich bin über ihr Verhalten sehr erstaunt.
Um 9.00 Uhr fingen wir mit Atemübungen an und haben auch die Feueratmung gemacht. Unser Atem ist der WIND. Lebensenergie. Tod. Gesang. Anschließend sind wir auf einen Hügel gelaufen. Julia hat die Asche mitgebracht, in der wir am Vorabend in der Feuerzeremonie unsere Blockaden, Hemmungen und Ängste geworfen haben. Wir bekamen jeder eine kleine Schale voll mit Asche. Ich nahm die Asche in meine Hand und ließ sie vom Hügel mit dem Wind frei davonfliegen.
Die Blockaden zogen davon, sind aber weiterhin Teil des Universums. Vielleicht atmen wir sie oder einen Teil davon irgendwann wieder ein und aus.
Ich habe losgelassen und bin nicht so scharf darauf, diesem Inhalt der Asche so schnell wieder zu begegnen. Es sei denn, ich bin stark genug, um sie tatsächlich mit der nächsten Ausatmung wieder gehen zu lassen.
Bei der anschließenden Meditation konnte ich es nicht verhindern, dass mir die Krawatten in den Sinn kamen J.
11.40 Uhr. Mir ist kalt und ich konnte kaum etwas frühstücken. Was ist passiert? Auch vor den Übungen hatte ich keinen Appetit. Die Angst sitzt mir in den Knochen. Entweder bekomme ich eine Erkältung oder ich bin nur panisch. Die Übungen heute Morgen waren anstrengend. Viel Dehnung. Am Ende Kopfstand.
Ich musste wieder viel weinen. Weinen aus Wut, weil mich die Angst wieder besuchte und weil ich mich so hilflos fühlte. Ich will auch nicht nach Hause. Was erwartet mich dort? Alles wird über mich herfallen. Die Probleme im Büro. Die Probleme zu Hause. Und alles muss ich alleine lösen. Ich bin auch wütend auf den Vater meiner Kinder. Hätten sie einen Vater, müsste ich nicht so stark sein und so viel kämpfen.
18.15 Uhr. Ich dachte, ich würde die Übungen heute Nachmittag nicht durchhalten. Ich war schon völlig erschöpft und hatte überall Schmerzen, als ich zum Unterricht kam. Dann wurde es mit den Übungen – die wieder sehr anstrengend waren – immer besser. Mein Körper ist schon sehr interessant. Es gab viel Partnerarbeit und am Ende sind wir wieder geflogen. Ich war SAUSTOLZ auf mich!!!
Das anschließende Essen war wieder so lecker und ich hatte einen riesengroßen Hunger. 2 ½ Teller vegetarisches Essen und anschließend noch Kuchen.
Am Abend bekam ich eine wunderschöne Massage. Mein Rücken ist voller Knoten und schmerzt bei jeder Berührung. Je mehr ich an zu Hause denke, desto mehr tut alles weh.
Ich habe keine Ahnung, wer dieser Fremde im Zug war. Zu dieser Zeit spielten zu viele Männer eine zu wichtige Rolle in meinem Leben. Mein Partner, der mich mit seiner eigenen Instabilität stark überforderte, mein Chef in Deutschland, der mir aus mir unerklärlichen Gründen sein Vertrauen entzog, der Mobber, der mich aus irgendeinem Grund vernichten wollte, der Vater meiner Kinder, der sich seiner Verantwortung entzog.
Interessant ist für mich, dass ich damals Nähe, Vertrauen und Geborgenheit bei einem Mann gesucht habe. Etwas, was ich bei keinem finden konnte. Das ist auch kein Wunder, denn diese Gefühle finden wir ausschließlich und nur in uns selbst. Niemand kann uns ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit geben. Das sind Erwartungen, die nicht erfüllt werden können und immer nur zu Enttäuschungen führen. Und wenn wir das nicht begreifen, dann werden uns immer wieder die gleichen Menschen und die gleichen Probleme in verschiedenen Variationen begegnen. Unser Leben scheint dann eine sich ständig wiederholende Qual zu sein.
Die wichtigsten Ereignisse in meinem Leben waren und sind meine Kinder und Yoga. Mit Hilfe des Yoga konnte ich den Blickwinkel von außen nach innen richten und begreifen, dass meine äußere Welt nur der Spiegel meiner inneren Bewusstseinsebene ist. Sind Liebe und Vertrauen in mir, dann habe ich keine entsprechenden Erwartungen an andere und dann kann mich auch niemand enttäuschen. Die Partner- und die Berufswahl fallen anders aus. Der Umgang mit den Menschen und Ereignissen verändert sich.
Natürlich sind mir meine dem WIND überlassenen Blockaden immer wieder begegnet und die Ängste haben mich noch eine Weile erschüttert und verunsichert. Doch die tiefe Weisheit des Yoga hatte mich schon sanft berührt und ich fing an, alles mir Bekannte, vor allen Dingen meine eigene Person zu hinterfragen. Meine Gedanken. Meine Gefühle. Meine eigene Geschichte.
Noch heute schwirrt meine zu Asche gewordene Angst irgendwo im Universum herum und ab und zu klopft sie vorsichtig an. Dann öffne ich die Tür zu meinem Herzen und atme die Angst ein, erlebe sie als Gedanken in meinem Kopf und als Emotion im Körper, und dann atme ich tief und entspannt im Bauch aus und verabschiede mich wieder von ihr. Es bleiben Hingabe und Liebe.