Angst als Tor zur absoluten Freiheit

Wut, Eifersucht und Trauer sind starke Emotionen. Die Angst jedoch ist vielleicht das Gefühl, das uns am tiefsten trifft und total niederstrecken kann. Die Todesangst macht uns völlig hilflos und unsere Reaktion ist in der Regel, dass wir vor ihr davonlaufen. Wir wollen sie nicht spüren. Wir wollen sie nicht haben. Nicht heute und am liebsten nie wieder, weil sie uns lähmt und so schwach macht. Sie nimmt uns den Atem und jegliche Kraft. Wir können uns nicht gegen sie wehren. Alles andere um uns herum wird klein und nichtig und nur die Angst ist noch da und beherrscht uns vollkommen.  

Um der Angst nicht mehr hilflos ausgeliefert zu sein, ist es unabdingbar zu verstehen, wie und was alles in unserem Körper und im Geist passiert. Wir können die Angst und die Angst vor der Angst nicht verlieren, wenn wir nicht wissen, dass wir in unserem Gehirn eine Region haben, die aus gutem Grund gerade für die Emotionen und somit auch für die Angst sorgt. Zu wissen, dass diese Angst „nur“ irrational ist, hilft nicht (was die meisten Menschen um uns herum nicht verstehen können), denn wir können nicht mit dem rationalen Teil unseres Gehirns gegen den die Angst auslösenden Teil (Amygdala = auch Mandelkern genannt) ankämpfen, weil es sich um eine Konditionierung handelt. Das heißt, ist die Angst mehrmals in bestimmten Situationen aufgetaucht, dann wird das in Zukunft ein automatischer, vom Gehirn gesteuerter Ablauf werden. Das alles passiert, um uns zu schützen. Es ist etwas ganz Natürliches und nichts Negatives.  

Ihr könnt die Angstattacken loswerden, indem ihr eure Konditionierung erkennt und euch nach und nach von dieser löst. Jeder kann das schaffen, wenn er das will. Dabei gilt es vor allen Dingen zu erkennen, dass eine Konditionierung erst einmal nichts Schlechtes ist. Es gibt keine gute oder schlechte Emotion, genauso wenig, wie es keine positiven oder negativen Gedanken gibt. Gedanken und auch Emotionen sind neutral. Sie tauchen bei jedem Menschen so auf, wie er aufgrund seiner Gene und Erziehung gepolt ist. Da ist nichts falsch dran. Die Frage ist nur, wie wir damit umgehen, denn wir sind es gewohnt, einem ganz neutralen Vorgang eine Bewertung aufzusetzen und alles, wirklich alles, in die Schubladen „gut“ oder „schlecht“ zu sortieren.

Wenn der eigene konditionierte Ablauf erst einmal erkannt und akzeptiert wird (hierbei hilft die Meditation), dann könnt ihr die Ebene, dass ihr negative Gedanken durch positive Gedanken oder negative Emotionen durch positive austauschen könnt oder müsst, hinter euch lassen. Das führt zu überhaupt nichts, außer zu dem Verhalten, dass ihr eure eigene Natur unterdrückt. Und was unterdrückt wird, wird automatisch immer stärker, bis es explosionsartig wieder nach oben drängt. Es kommt also nicht auf das an, was auftaucht, sondern was ihr damit macht.

Es braucht Geduld und den festen Willen, sich selbst zu durchschauen und zu verstehen. Wir haben uns über Jahre oder vielleicht sogar über Jahrzehnte nicht darum gekümmert, wer wir sind und was gut für uns ist und können daher nicht erwarten, dass wir nun, wo wir Panikattacken haben, innerhalb von drei Wochen oder am besten sofort alles verstehen. Ohne die Angst hätten wir nicht einmal daran gedacht, innezuhalten und zu schauen, wo wir im Leben stehen. Wenn ihr denkt, ihr könnt die Panik schnell loswerden, damit ihr so schnell wie möglich das alte Leben fortführen könnt, dann habt ihr euch geirrt. Denn die Angst will euch ja gerade darauf hinweisen, dass es so nicht weitergeht.  

Ich versuche immer darauf hinzuweisen, dass diese Reise nach innen das Spannende und Schöne ist und nicht das, was ihr sowieso schon immer gemacht habt oder machen wollt.

Wenn ihr die innere Reise begonnen und langsam erkannt habt, warum ihr da seid, wo ihr gerade steht, dann möchtet ihr vielleicht irgendwann einen Schritt weitergehen. Wer verstanden hat, dass Gedanken und Emotionen neutral sind, der kann sich der Angst dann auch irgendwann völlig hingeben. Anstatt vor ihr davonzulaufen, könnt ihr euch vollkommen in die Todesangst fallen lassen und schauen, was eigentlich hinter der Angst liegt. Wer direkt in die Angst hineingeht, kann sie endgültig auflösen.

Wir wissen, dass sich vor dem Zustand der hilflosen Panik die Angst langsam aufgebaut und gesteigert hat. Dies gelingt uns erfolgreich mit Hilfe unserer sorgenvollen Gedanken in die Zukunft, also in eine Zeit, die gar nicht existiert. Unglaublich, was uns alles einfällt, was uns Schreckliches passieren könnte. Hinzu kommt dann noch die Erinnerung der Amygdala, die daraufhin die entsprechenden Reaktionen im Körper auslöst.

Ist die Angst schließlich so groß geworden, dass die Panik völligen Besitz von uns ergreift, dann ist die Emotion so stark und mächtig, dass der Körper und die geistige Aufmerksamkeit zu 100 Prozent in Anspruch genommen werden. In diesem Moment der Todesangst sind wir uns selbst so nah und unserer Existenz so bewusst, wie niemals sonst im Leben. Alles was bisher vor der Panik ablief, war irreal (spielte sich also nur im Gehirn ab). Aber jetzt, wo der ganze Körper in Aufruhr und der Drang zur Flucht oder zum Kampf nicht mehr zu unterdrücken ist, sind wir in der Realität angekommen. Und es stellt sich die Frage, ob wir den Mut haben, uns dieser Realität, dem Herzrasen, dem Schweißausbruch, den Flucht- und Todesgedanken zu stellen. Was ist denn, wenn wir einfach Angst zulassen? Wenn sie den Körper ergreifen und durch ihn durchziehen darf. Einfach zuschauen, was geschieht, wenn wir uns hingeben und bereit sind, hier und jetzt zu sterben? Solltet ihr an Gott glauben, dann gebt euch doch in diesem Moment völlig eurem Gott hin. Anstatt nur zu glauben, könnt ihr nun euer Gottvertrauen zeigen und euch seinem Willen völlig unterwerfen.

Wird der Widerstand gegen die Angst aufgegeben, wird die immense für den Widerstand aufgewendete Energie plötzlich frei und alles kann fließen. Wir kommen im Hier und Jetzt, in der absoluten Realität und Präsenz an.  

Und dann kann es sein, dass ihr erkennt, dass die Gedanken hinsichtlich der Angst nur Seifenblasen sind, so wie alle Gedanken, die ca. 80.000 mal am Tage bei euch im Gehirn auftauchen.  

Ist kein Widerstand mehr da, dann gibt es auch keinen Denker, keinen Tod und auch kein Leben. Da ist nur der Augenblick der völligen Präsenz. Hinter der Angst ist nur Sein und in diesem Sein selbst ist nur Freude.

Das Leiden entsteht nicht, weil Angst da ist, sondern weil wir die Angst nicht haben wollen und alles tun, um sie zu vermeiden.

 

 


4 Gedanken zu “Angst als Tor zur absoluten Freiheit

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