Attacke ohne Panik

Einmal im Monat überfällt sie mich, die Migräne. Auch mit den Wechseljahren hat sie sich nicht verabschiedet. Sie ist schwächer geworden, aber ich habe das Gefühl, dass sie sich dafür öfter meldet. Sie will irgendwie immer zeigen, dass sie da ist und kann sich noch nicht verabschieden, wie die Angst.
Da ich noch von der letzten Attacke etwas vernebelt im Kopf in der Küche schon wieder herumwerkeln und fleissig sein wollte, und außerdem die Katze um meine Füße herumstrich, in der Hoffnung, es könne etwas Essbares für sie dabei herausspringen, war ich nicht sehr achtsam und schlug mit dem neuen scharfen Küchenmesser in meinen Daumennagel von oben durch bis unter die Haut.
Danach führte ich einen jammervollen, selbstbemitleidenden, lautstarken Indianertanz in der Küche auf und rief meinen Göttergatten zu Hilfe, der sofort schauen sollte, was ich mir angetan habe, da ich wusste, ich könne keinen Blick auf dieses Missgeschick werfen, ohne dass mir übel werden würde. Der kam sofort herbei, um zu helfen, wusste aber nicht was er zuerst machen sollte und sperrte daher erst einmal die Katze weg. Das kostete meiner Meinung nach viel zu viel Zeit und brachte ihm einige böse Worte und Blicke von mir, da er doch eigentlich sofort Eis aus dem Gefrierfach holen und mich umgehend von den Schmerzen befreien sollte.
Das Gute an der ganzen Sache war, dass die Kopfschmerzen sich sofort in Luft auflösten. Das ist mir auch schon öfter an der Migräne aufgefallen. Wenn sie merkt, dass ich sowieso schon leide, dann verschont sie mich für einige Zeit, lässt es sich aber nicht nehmen, das irgendwie später nachzuholen.

Ein Mensch, der mit Panikattacken zu tun hatte und außerdem noch leichten hypochondrischen Neigungen ausgesetzt ist, der hat nach so einer unglücklichen Messerattacke jede Menge Stoff zum Grübeln. Denn schließlich kann so ein Schnitt üble Konsequenzen haben.
Hat man die Panikattacken jedoch überwunden, kann es passieren, dass die üblichen Konditionierungen ihren Weg gehen wollen, aber irgendwo ertappt werden und auf der Strecke stecken bleiben.
Gerade vor dem Einschlafen konnte ich beobachten, wie meine Gedanken sich um den Daumen drehten und immer wieder einige unerfreuliche Szenarien auftauchen wollten. Das Kopfkino wollte sich wieder zurückmelden. Befeuert wurden diese Gedanken auch noch durch einen Roman, den ich gerade lese, in dem eine Person zwei Finger verlor und in einem Kerker an der linken Hand von innen zu verfaulen begann.
Ich beobachtete ganz ruhig, wie diese Gedanken meinen Körper beeinflussten und die Atmung sich veränderte. Weil ich aber eigentlich sehr entspannt war, blieb der Atem irgendwie im Oberkörper hängen und wollte sich da anstauen, so dass ich mich nicht mehr richtig bewegen konnte, ohne dass Schmerzen zwischen den oberen Rippenbögen auftraten.
Das erlebte ich nun schon das zweite Mal, und es ist erstaunlich, wie sich alte Gewohnheiten immer wieder einen neuen Weg suchen wollen, um zu beeindrucken. Spätestens hier wäre ich früher sofort in Angst und Panik verfallen und nicht mehr ansprechbar gewesen.
Als mein Mann irgendwann nach langem erfolglosen Rufen, und nachdem er jeden Winkel im Haus nach mir absuchte, mich endlich fand und ins Zimmer kam, traf ihn mit voller Wucht meine Wut über alles, was mir bisher an diesem Tag und auch der armen Person im Roman passierte. Da ich aber aufgrund des Staus von Sauerstoff im Oberkörper nicht so viel Luft zum Schimpfen hatte, beließ ich es bei einigen Worten und Rülpsern, die sich sehr befreiend anfühlten.
Dann fing mein Körper an zu zittern. Oh, dachte ich, eine Panikattacke ohne Panik. Sehr merkwürdig. Es war ganz klar, dass hier ein körperlicher Ablauf vor sich ging, auf den ich überhaupt keinen Einfluss hatte. Das ging alles völlig automatisch und weil ich das erkannte, konnte sich alles abspielen, ohne dass Angst auftreten musste.
Ich ging im Zimmer umher und rülpste weiter, als hätte ich gerade ein Kasten Mineralwasser verdrückt und atmete ruhig ein und aus. Damit sich die Verspannung im Oberkörper besser lockern konnte, habe ich beim Einatmen die Arme angehoben und beim Ausatmen nach unten geführt.
Das Zittern hörte sehr schnell auf. Das System beruhigte sich sofort wieder. Es blieb ein Staunen darüber zurück, wie wir doch wie programmierte Roboter funktionieren. Wir haben keine andere Chance, wir müssen das durchschauen, dann erst sind wir frei von diesen Autobahnen.
Ich wünsche euch allen schöne angstfreie und glückliche Tage
Monika

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